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„Bin ich in Hogwarts?“ – Schulalltag an der Norwich School

„Bin ich in Hogwarts?“ Diese Frage habe ich mir gerade zu Anfang meines dreimonatigen Praktikums im French Department der Norwich School nicht selten gestellt – und im Folgenden möchte ich zeigen, aus welchen Gründen. Zunächst stelle ich aber meine Praktikumsschule vor.

Norwich School ist eine independent school (Privatschule) für Mädchen und Jungen im Alter von 4 bis 18 Jahren ohne Internat. Sie gehört zu den ältesten Schulen im Vereinigten Königreich, denn sie besteht seit 1096. Außerdem wurde sie als East Anglian independent school of the year 2018 ausgezeichnet, überzeugt mit ihren außergewöhnlichen akademischen Resultaten und genießt daher ein hohes Ansehen. Zudem sind unter den anschließend von den Schüler_innen besuchten Universitäten nicht selten Top-UK-Universitäten wie Cambridge oder Oxford. Zur Norwich School gehören die Lower School (primary school, Grundschule) für 4- bis 11-jährige Schüler_innen und die Senior School (secondary school, weiterführende Schule) für 11- bis 18-jährige Schüler_innen. Aufgrund der Tatsache, dass die Norwich School eine independent school ist, gibt es Schulgebühren, die bei jährlich £15.000 bis £16.000 pro Schüler_in an der Senior School oder bei ca. £10.000 für Schüler_innen an der Lower School liegen. Aus deutscher Perspektive ist dies für sehr viele Eltern sicherlich eine unglaubliche Geldsumme für den Schulbesuch der eigenen Kinder. Aus einer englischen Perspektive scheint es jedoch nicht ungewöhnlich zu sein, für eine gute Schulbildung des Kindes diese Summen in Kauf zu nehmen – denn die Anzahl der Privatschulen ist nicht gerade gering. Es gibt aber auch Stipendien und andere finanzielle Unterstützungsangebote zu diesem Zwecke.

Ein englisches Schuljahr ist in drei Terms aufgeteilt, anstelle von zwei Halbjahren. An der Norwich School heißen diese Michaelmas Term (Schuljahresbeginn bis Weihnachten), Lent Term (Neujahr bis Ostern) und Trinity Term (Ostern bis Schuljahresende / Sommerferien). Es gibt Ferien nach jedem Term, die meist länger sind als an state schools (staatliche, öffentliche Schulen). In der Mitte jedes Terms gibt es sog. half term holidays von einer Woche. Ein weiterer Unterschied zu Deutschland sind die Schuljahre, die anders aufgeteilt bzw. genannt werden: von year 7 bis year 13 besucht man die Senior School. An der Norwich School werden diese Jahre in forms eingeteilt (4th form = year 7+8; 5th form = year 9-11; 6th form (Äquivalent zur deutschen Oberstufe) = year 12+13) und nicht mit den üblichen year-Bezeichnungen benannt sondern folgendermaßen: L4 (Lower 4), U4 (Upper 4), L5, M5 (Middle 5), U5, L6, U6 – da musste ich am Anfang erst einmal durchsteigen! Besonders amüsant wurde es, als die französische Sprachassistentin und ich in einer Freistunde an der Tafel versuchten, das englische, französische und deutsche Schulsystem (Schulformen, Jahrgangsstufen, …) nebeneinander zu stellen – das war gar nicht so einfach (und am Ende, je mehr es ins Detail ging, sehr unübersichtlich 😀 ).

 

Schüler sein an der Norwich School

Englische Schule – Schüler – die nächste Assoziation in dieser Reihe wäre vermutlich am Häufigsten „Schuluniform“. Noch mehr als die Schuluniform haben sich bei mir nach meinem Praktikum allerdings die unterschiedlichen Häuser ins Gedächtnis gebrannt. Tatsächlich ist es ein bisschen wie in Joanne K. Rowling’s Bücherserie Harry Potter, wo der sprechende Hut entscheidet, ob man im Haus Gryffindor, Hufflepuff, Ravenclaw oder Slytherin landet – nur der sprechende Hut fehlt leider 😉 . In der Lower School gibt es drei Häuser (Conisford, Heigham und Magdalen), an der Senior School acht verschiedene Häuser (Nelson, Parker, School, Brooke, Repton, Valpy, Seagrim und Cooke). Die Schüler_innen werden den Häusern zufällig zugeteilt, wenn sie jedoch ein Geschwisterkind in einem Haus haben, ist es wahrscheinlich, dass sie auch in diesem Haus landen. Jedes Haus hat einen housemaster – da muss ich immer gleich an Prof. McGonnagal für Gryffindor denken 😀 . Für ihre Häuser sammeln die Schüler_innen Punkte, bspw. während der Schulstunden durch besonders gute Leistungen (merits und distinctions) oder in Sportveranstaltungen. Punkteabzug habe ich jedoch, anders als in Harry Potter, nie erlebt (und gibt es wahrscheinlich auch gar nicht). Am Ende des Schuljahres wird ein Gesamtpunktestand über die Häuser bekannt gegeben. Die Einteilung in Häuser ist jedoch keine Spezifizität der Norwich School – auch andere englische Schulen sind so aufgebaut.

Anders als in Deutschland gibt es in England nicht die typischen Klassenverbände, in denen die Schüler_innen in den meisten Fächern unterrichtet werden und die bis zum Beginn der Oberstufe bestehen. An der Norwich School gibt es stattdessen tutor groups. In jeder tutor group sind meist ungefähr 20 Schüler_innen, die in der gleichen Jahrgangsstufe und im gleichen Haus sind. Ihr „Klassenlehrer“ ist der tutor und wöchentlich gibt es eine gemeinsame Stunde zusammen. Der grundlegende Unterschied ist, dass die Schüler_innen einer tutor group nicht in den meisten Fächern gemeinsam unterrichtet werden, da eher ein Kurssystem wie in der deutschen Oberstufe vorliegt. Die Schüler_innen haben folglich innerhalb der Schule verschiedene communities – ihre tutor group, ihr house und die verschiedenen Kurse pro Fach. Es scheint, als wären sie viel durchgemischter als in Deutschland – und haben auch vielleicht dadurch ein großes Gemeinschaftsgefühl?

Zum Gemeinschaftsgefühl trägt sicherlich auch die Schuluniform bei, deren Kleidungsstücke (v.a. die Jacken) mit auffälligen Schullogos versehen sind. An der Lower und Senior School sind die Uniformen bis zur U5 in den Farben köngisblau, weiß, grau und schwarz gehalten, für L6 und U6 in schwarz und weiß. Bei der Farbwahl muss ich tatsächlich sagen: Glück gehabt! – denn in der Stadt habe ich auch Schuluniformen in der Grundfarbe grün gesehen. Für Mädchen sind Röcke vorgesehen, wobei sie mittlerweile auch Hosen tragen dürfen, was allerdings nur sehr wenige Mädchen machen. An der Lower School tragen viele Jungen selbst im Winter kurze Hosen. Auch für den Sportunterricht und für Spiele gibt es Kleidungsvorschriften und extra Shirts und Hosen. Für die Schulschuhe (immer schwarz) gibt es sogar einen richtigen Markt – in vielen englischen Schuhläden gibt es gesonderte Abteilungen für Schulschuhe!

Aber woran sieht man eigentlich, zu welchem Haus die Schüler_innen gehören? An Farbe und Musterung der Krawatte (Jungen) oder des Button (Mädchen der Senior School). An der Lower School tragen auch die Mädchen Krawatten. Jedes Haus hat seine eigene Farbe, das Haus Valpy ist bspw. hellblau. Zu jeder Regel gibt es aber natürlich auch Ausnahmen: es gibt Schüler_innen mit speziellem Status (peer supporters, prefects, …), die man im normalen Schulalltag an ihren anders gemusterten Krawatten oder Buttons erkennt, und auch daran, dass sie bspw. nicht ein weißes Hemd oder eine weiße Bluse sondern ein beliebig-farbiges Hemd oder eine beliebig-farbige Bluse tragen dürfen. Des Weiteren gibt es bspw. für Erfolg in einer bestimmten Sportart und für herausstechendes soziales Engagement als reward spezielle Krawatten oder Buttons. Im Lehrerzimmer-Gebäude hängt sogar eine ganze Vitrine mit allen verfügbaren Krawatten und Buttons sowie darunter ein Briefkasten pro Haus, in welches die „Punkte“ geworfen werden!

Gibt es sowas ähnliches wie eine Uniform dann auch für Lehrkräfte? Nunja, Lehrkräfte tragen zwar keine Uniform, aber werden auch dazu angewiesen, sich schick bzw. business-like zu kleiden. Das bedeutet für Männer Anzug mit Krawatte und für Frauen schicke Hosen, Blusen, Blazer, Kleider, Röcke, … (und das bedeutete für mich vor meinem Praktikum erst einmal shoppen, denn Jeans oder Sneaker wie in Deutschland oder Frankreich waren einfach nicht möglich!). Was für die Lehrkräfte und Verwaltungsmitarbeiter Pflicht ist, sind die lanyards mit den badges: blaue „Schlüsselbänder“ mit „Norwich School“ Schriftzug und Logo mit einem Ausweis, damit man immer als Mitglied der Schule erkannt werden kann. Lanyard und badge zu Hause zu vergessen ist auch nicht gerade günstig, da man sonst – gerade am Anfang – schnell als Nicht-Mitglied der Schule identifiziert wird. Gäste müssen sich an der Rezeption ein weißes „Schlüsselband“ mit guest-Ausweis holen.

Assistenten & Praktikanten: Arbeitsoutfit, lanyard & badge

 

Das Schulgelände der Norwich School

Irgendwie erscheint vieles an Norwich School aus deutscher Perspektive außergewöhnlich – und auch das Schulgelände ließ mich manchmal denken, in Hogwarts gelandet zu sein. Norwich School ist direkt an Norwich Cathedral angegliedert – die evangelische Kathedrale der Stadt – und liegt damit zentral im Herzen Norwichs. Gefühlt kann man aus jedem Klassenraum einen Blick auf die Kathedrale erhaschen. Die Schule (Senior School) liegt im Cathedral Close, einem verkehrsberuhigten und mit zwei alten Steintoren eingerahmten Park- bzw. Platz-Bereich rund um die Kathedrale. Es gibt ein „eingezäuntes Haupt-Schulgelände“, in dem auch das Gebäude für Französisch und Spanisch liegt, sowie mehrere Gebäude wie Verwaltung, Musik oder Naturwissenschaften außerhalb dieses Geländes. In die Gebäude kommen Lehrkräfte, Personal und Schüler_innen aber nur mit einem Code hinein. Auf dem Haupt-Schulgelände ist natürlich auch der Pausenhof, wo es viele Regale für die Taschen aller Schüler_innen gibt – und da die Schüler_innen nicht ihre eigenen Klassenräume haben (es gibt ja auch keine festen Klassenverbände), sondern immer zu den Klassenräumen der Lehrkräfte laufen, lassen sie hier in den (Mittags-)Pausen ihre Taschen mit allem Inhalt liegen – und nichts wird geklaut! Manchmal liegen Sporttaschen tagelang dort und es geschieht nichts – das Vertrauen in Mitschüler_innen und Passanten ist also entsprechend groß. Das Gelände der Lower School ist etwas weiter von der Kathedrale entfernt.

Schulgelände (Cathedral Close) & Schulhof

Der Hauptort für Lehrkräfte ist natürlich der Common Room (Lehrerzimmer) – ein kleines, altes, fachwerkhaus-ähnliches Häuschen, direkt gegenüber der großen Portale der Kathedrale! Eine unglaubliche tagtägliche Kulisse – und am Ende war es schon fast vollkommen normal, verrückt! Da fast jede Lehrkraft ihren eigenen Klassenraum mit gleichzeitiger Funktion als Büro hat (außer Sport- und Teilzeit-Lehrkräfte vielleicht) und zusätzlich jedes Department Gebäude (bzw. zumindest das Französisch-Spanisch-Gebäude) ein Büro mit Arbeitsplätzen, Computern, Unterrichtsmaterialien, etc. hat, sieht auch das Lehrerzimmer ganz anders aus als in Deutschland: es ist nämlich eine Sofa-Landschaft mit Kaffee- und Tee-Maschinen und damit eher eine feel-good-area als eine working-area. Arbeitsplätze gibt es aber eine Etage höher auch. Der typisch englische Teppichboden fehlt im Common Room, wie auch in den Klassenräumen, natürlich nicht 😉 .

  

Common Room – Gebäude & Blick aus dem Common Room auf Norwich Cathedral

Zum Harry-Potter-Feeling tragen aber vor allem die Kathedrale und ihr Kloster-Rundgang (siehe Titel-Foto des Blogbeitrags) bei. Und wer meint, die Kathedrale hätte doch gar nichts mit der Schule zu tun, der irrt sich gewaltig.

 

Ein typischer Schultag an der Norwich School …

Nach der Registration in den tutor groups beginnt nämlich ein typischer Schultag an der Norwich School jeden Tag mit der Assembly von 8.40 Uhr bis ca. 8.55 Uhr in der Kathedrale. Eigentlich sieht man die großen Haupteingangstore der Kathedrale gegenüber des Lehrerzimmers nie geöffnet (für Touristen gibt es einen gesonderten Eingang) – außer morgens bei der Assembly! Und tatsächlich kann man sich die Assembly ein bisschen so vorstellen wie eine Versammlung in der großen Halle bei Harry Potter, die – wo ich gerade darüber nachdenke – auch ein wenig wie ein Kirchenschiff aussieht. Natürlich kann die Decke in Norwich Cathedral nicht die Farbe ändern bzw. das Wetter wiederspiegeln und in der Assembly wird auch nicht gegessen 😉 , aber gewisse Assoziationen werden auf jeden Fall wachgerufen.

Jetzt rede ich ständig von Assembly, aber was ist das eigentlich genau? Alle Schüler_innen der Schule sitzen nach Häusern aufgeteilt in den Bänken der Kathedrale und damit sie wissen, wo sie sitzen sollen, gibt es immer Schilder mit den Anfangsbuchstaben der Häuser. Die tutors und housemasters stehen bei ihren Häusern und alle Lehrkräfte tragen bestimmte Umhänge, nur als Praktikant_in oder Sprachassistent_in erhält man keinen Umhang. Wenn der Schulleiter durch das große Portal in die Kathedrale eintritt und den Gang herunterschreitet, stehen alle Schüler_innen Laola-Wellen-artig nach und nach auf – und setzen sich am Ende der Assembly, wenn er wieder hinausgeht, auf gleiche Weise hin. Während der Assembly richtet sich der Schulleiter meist mit einigen Worten an die Schulgemeinde. Außerdem werden die wichtigsten Neuigkeiten für die Schulgemeinde bekannt gegeben, wie bspw. Sportergebnisse des Wochenendes oder aufkommende sowie vergangene Events. Auch werden Reden von Lehrkräften oder Schüler_innen zu aktuellen oder wichtigen Themen gehalten und manchmal gibt es auch kleine Aufführungen. Zwei Mal während meiner Zeit wurde der gesamten Schülerschaft vom Head of Music (Fachvorsitzender Musik) das Singen eines (religiösen) Liedes beigebracht (die Schule hat ihre eigenen Liederbücher) – das war schon ein besonderes Gefühl, in einer so großen Gemeinschaft ein Lied zu lernen. Zudem gibt es jeden Freitag einen kurzen Gottesdienst. Der junge Organist der Schule begleitet auf einer der größten Orgeln Englands die Assembly – und von dort oben hat man einen fantastischen Überblick über die Assembly und natürlich auch eine gute Sicht auf das Innere der Kathedrale.

       

Assembly in Norwich Cathedral & Orgel

Um 9 Uhr beginnt dann der ganz normale Schulalltag. Die periods (Schulstunden) sind jedoch nur 40 Minuten lang – und es gibt keine 5 Minuten Pausen, was darin resultiert, das Schüler_innen, die von weiter wegliegenden Gebäuden wie den Naturwissenschaften in den Sprachenunterricht auf dem Haupt-Schulgelände kommen müssen, grundsätzlich zu spät sind und damit von der sowieso schon kurzen Unterrichtszeit viel verloren geht. Das war schon gewöhnungsbedürftig, denn als Praktikantin habe ich auch regelmäßig von einem Unterricht zum anderen wechseln müssen – aber zum Glück meist nur innerhalb des einen Gebäudes! Nach zwei Schulstunden gibt es aber immer eine größere Pause und mittags zwei Slots zum Mittagessen in der Refectory. Um 16 Uhr ist die letzte Stunde beendet und da Norwich School (ungleich Hogwarts) eine day school und keine boarding school mehr ist (früher war sie eine), gehen alle Schüler_innen nach Hause.

Außerhalb des normalen Unterrichts gibt es aber auch viele andere Angebote für die Schüler_innen. Vor allem die Talente in Bereichen wie Musik und Gesang, Kunst und Theater oder Sport in Sportarten wie Hockey, Netball, Cricket, Rubgy und Rowing (Rudern) werden stark unterstützt. Es gibt verschiedene clubs und societies und die Schüler_innen werden auch zu community service (gemeinnütziger Arbeit) oder Engagement in charities (Wohltätigkeitsorganisationen) ermutigt. Besonders an den Wochenenden spielen viele Schüler_innen in Sportmannschaften für ihre Schule. Im Bereich der Sprachen gibt es viele Fahrten ins Ausland. Auf musisch-artistischer Ebene gab es während der kurzen Zeit, die ich an der Schule war außerdem viele Aufführungen: „Dance Extravaganza“ – eine Tanz- und Gesangsaufführung, „Judgement Day Senior Play“ – ein Theaterstück, „Jazz Night“ – ein Jazz Musik-Abend, sowie zwei Chorkonzerte – „Even Song“ und „Concert in St Andrew’s Hall“. Auch außerhalb der Schulzeiten verbringen die Schüler_innen also sehr viel Zeit mit an die Schule gebundenen Aktivitäten – und identifizieren sich deshalb auch stark mit ihrer Schule (anders als in Deutschland). Für mich war es besonders schön, in der Mittagszeit an einem club, der Senior Concert Band, teilnehmen zu können, da ich mir eine Flöte vor Ort von der Schule leihen durfte. Um einen Überblick über diese vielen Angebote und Veranstaltungen behalten zu können, erhalten Schüler_innen und Lehrkräfte zu Beginn jedes Terms ein booklet mit einer Übersicht über das gesamte Term. Über die Schul-E-Mail-Accounts werden auch viele Informationen weitergeleitet und es herrscht ein reger Austausch, auch mit Schüler_innen und Eltern.

Für Lehrkräfte stehen natürlich zusätzlich zum Unterrichtsgeschehen noch weitere Aufgaben auf dem Tagesplan, wie bspw. wöchentliche Department meetings – also Treffen mit den Fachkollegen. Die meisten Lehrkräfte nehmen nur an einem Department meeting pro Woche teil, da sie meist auch (hauptsächlich) nur ein Fach unterrichten. Auch Elternabende sind anders organisiert, als ich es bisher aus Deutschland kenne: es gibt einen Abend pro Stufe.

 

… und untypische Schultage an der Norwich School

Home Clothes Day, Snow Days, Cup Run, Last Day of Term – es gab tatsächlich nicht gerade wenige Tage, wo ein Schultag nicht ganz so typisch abgelaufen ist wie oben beschrieben. Gerade am Home Clothes Day und an den Snow Days sah die Schule ganz anders aus als sonst.

Home Clothes Day gibt es an der Norwich School 1x pro Half Term (i.d.R. am vorletzten Freitag vor den Ferien), also 2x im Term und 6x im Schuljahr. Die Schüler_innen und alle Lehrkräfte und Mitarbeiter können einen Tag ihre Schuluniformen und Business-Klamotten zu Hause lassen und tragen, was sie möchten. An diesen Tagen erschien alles etwas anders – besonders, weil die Atmosphäre v.a. unter den jüngeren Schüler_innen, aufgeregter war. Die Schüler_innen sahen für mich zum ersten Mal nicht wie kleine Erwachsene aus, sondern tatsächlich wie Kinder bzw. Jugendliche. Das hört sich jetzt vielleicht negativ an, aber das soll es gar nicht sein. Es war schlichtweg anders. Da ich Schuluniformen aus Deutschland nicht gewohnt bin, hatte es für mich eher den Effekt, dass es mir mehr wie eine Schule vorkam. Aber Schuluniformen sind deshalb ja auch nicht schlecht. An dieser Stelle könnte man natürlich wieder die altbekannte Pro-Kontra-Debatte Schuluniform aus dem Englischunterricht anfangen…

… aber stattdessen möchte ich lieber noch von den Snow Days erzählen. In Norfolk gibt es ungefähr alle 8 Jahre Schnee, also war ich bei einer Art „historischem Ereignis“ dabei, als the Beast from the East (so wurde es überall genannt) über Norwich fegte. Anfang März musste die Schule wegen Schnee ganze drei Tage in Folge geschlossen werden, das hat es so wohl noch nie oder lange nicht mehr gegeben. Allerdings scheint es, als würde (Südost-)England noch weniger mit Schnee klarkommen als das Rheinland oder Münsterland. In England geht dann wirklich nichts mehr und es wird das pure Chaos: Anwohner müssen ihre Gehwege nicht von Schnee befreien, ich habe tagelang keine Räumfahrzeuge gesehen und so war die schöne weiße Pracht nach dem ersten Tag wegen des Eises unter dem neu-fallenden Schnee nur noch gefährlich. Auch das weitläufige Schulgelände konnte nicht zeitig geräumt werden und viele Lehrkräfte und Schüler_innen, die teils auch bis zu einer Stunde Autofahrt weit weg wohnen, wären aufgrund der Straßenbedingungen nicht zur Schule gekommen – also wurde drei Tage in Folge per E-Mail die Nachricht der Schulschließung für den jeweiligen Tag verbreitet und stattdessen zu einer Snowman Competition auf Twitter (ja, die Schule ist bei Twitter, Instagram etc.) aufgerufen. Die Stadt in weißer Pracht zu sehen war aber auch ein toller Anblick und so haben wir – der andere Deutschpraktikant, die deutsche Sprachassistentin und ich – es uns nicht entgehen lassen, direkt am ersten Tag einen Schnee-Spaziergang zu machen. Allerdings musste ich improvisieren und meine Schuhe mit Plastiktüten aufrüsten, um nicht direkt im tatsächlich recht hohen Schnee durchnässte Füße zu bekommen 😀 . Auf Schnee waren wir nämlich auch nicht eingestellt! Viele Engländer waren zwar auch unvorbereitet, aber einige funktionierten ihre Gummistiefel kurzerhand um – denn Gummistiefel hat wegen dem vielen Regen und resultierenden Matsch hier ja jeder 😉 😀 .

        

Norwich – vom Schnee verzaubert

Beim jährlichen Cup Run war die ganze Schule involviert. Hier wäre es jetzt wirklich etwas überspitzt, Norwich School wieder mit Hogwarts und den Quidditch-Turnieren zu vergleichen. Beim Cup Run sind die Schüler_innen getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht verschiedene Querfeldein-Strecken in einem Waldgebiet etwas außerhalb von Norwich gelaufen. Es war nicht nur ein Einzelwettbewerb, bei dem sie versucht haben, die bestmögliche Platzierung zu erhalten, sondern mit ihrer Zeit bzw. ihrem Platz im Ziel haben sie auch Punkte für ihr Haus gewonnen. Die Schüler_innen sind dabei in T-Shirts in der Farbe ihres Hauses gelaufen. Alle, die nicht gelaufen sind, waren mit dabei und haben angefeuert. Einige Lehrkräfte sind auch mitgelaufen, ansonsten waren sie bspw. Marshalls – wie der andere Deutschpraktikant, die deutsche Sprachassistentin und ich – und haben den Fußweg bis dorthin kontrolliert und abgesichtert.

Am letzten Schultag vor den Osterferien, dem Last Day of Term, gab es eine komplett andere Tagesstruktur mit mehreren Assemblies in der Kathedrale, der Verleihung von Preisen, Spezialkrawatten und –buttons für Sport oder soziales Engagement, der Verlesung der Universtätszusagen für die Schüler_innen der 6th Form (Oberstufe), House assemblies und einem End of Term Gottesdienst. Dieser Tag ist tatsächlich unglaublich schnell gekommen – und viel schneller, als es mir lieb war. Schon ein komisches Gefühl, wenn alle anderen in die Ferien gehen und man selbst nach den Ferien nicht mehr wieder kommt…

 

War ich in Hogwarts?

Tatsächlich bin ich sehr überrascht, wie sehr die Harry-Potter-Geschichten wohl an die Wirklichkeit angelehnt sind – wenn man die ganze Zauberei einmal außen vor lässt 😀 . Wie man bestimmt bemerkt hat, war meine Kindheit von diesen Büchern geprägt, aber bis zu meinem Praktikum hatte ich nie gedacht, dass so viel Wahrheit in ihnen wiedergespiegelt wird. Natürlich ist es vollkommen übertrieben, zu fragen, ob ich in Hogwarts war. Aber beim Erzählen mit Freunden oder Familie habe ich immer mehr festgestellt, dass es doch einige Parallelen gibt und ich ihnen meine Erfahrungen und Eindrücke so ein bisschen näher bringen konnte.

Wer noch mehr am Schulalltag und am Aufbau bzw. der Funktionsweise von Norwich School interessiert ist, der sollte sich am besten auf der Homepage der Schule (https://www.norwich-school.org.uk/) genauer informieren, denn sie gibt weitergehende Erklärungen, als ich sie hier geben konnte. Außerdem findet man viele Bilder, die meine Beschreibungen nochmals besser veranschaulichen können. Leider konnte ich sie aus urheberrechtlichen Gründen nicht hier einfließen lassen. Bei all meinen Schilderungen muss man natürlich immer beachten, dass ich ausschließlich meine persönliche Wahrnehmung des Lebens an der Norwich School geschildert habe und diese nicht zwingend auf andere Privatschulen, staatliche Schulen oder das gesamte englische System übertragbar sind.

 

An dieser Stelle sage ich ein letztes Mal „See you later!“ im nächsten Blogeintrag.

(Nächste Anmerkung zu diesem Ausdruck: es ist wohl nicht nur aus deutscher Perspektive eigenartig, see you later für alles und ständig zu benutzen. Das hat sich im Gespräch mit anderen Lehrkräften herausgestellt 🙂 )

Nathalie

Hallo!
Ich bin Nathalie und studiere an der WWU Münster Englisch und Französisch im Master of Education, um an Gymnasien und Gesamtschulen unterrichten zu können. Vor Ende meines Studiums mache ich noch zwei freiwillige Schulpraktika in Montpellier, Frankreich und Norwich, England. Hier erfahrt ihr mehr über meine Erfahrungen und Erlebnisse während meiner Auslandspraktika.

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