Hi ihr Lieben,
ich verbringe zur Zeit mein Praktikum am German Department des Sprachenzentrums an der Universität von Manchester, UK.
In meinem Englischstudium und auch im Rahmen meiner Lehramtsausbildung hatte ich die Möglichkeit, eine berufsbezogene Erfahrung in den Studienkontext einfließen zu lassen. Schon früh wusste ich, dass es mich nach England verschlagen wird, da ich die britische Kultur und Sprache sehr faszinierend finde und einen tiefgreifenderen persönlichen Einblick in das Land, die Menschen, die Verhaltensweisen, Sitten und den allseitsbekannten, berühmt berüchtigten britischen Humor erhalten wollte! 🙂
Nach der Zusage der Praktikumsstelle war die Vorfreude groß! Ein Jahr später bereitete ich alles wichtige vor, buchte Flüge, holte diverse Bescheinigungen ein und machte mich auf die Suche nach einem Zimmer. Das war jedoch leichter gesagt als getan! Da man im Praktikum kein immatrikulierter Student an der Uni ist, fallen die student homes (und davon gibt es in Manchester als Studentenstadt viele) alle als Option weg. Eigentlich wollte ich meine Wohnungssuche nicht hier in den Blog mit einbeziehen und direkt zu meinem Aufenthalt übergehen, aber aufgrund meines sehr schockenden Erlebnisses habe ich mich doch dazu entschieden. (Ein kleiner Appell an die menschliche Vorsicht):
Bei meiner Zimmersuche wurde ich nämlich Opfer einer Betrugsvermietung, d.h. nach gegenseitigem Austausch von Emails, Bildern des Zimmers, Mietvertrag, und Vorauszahlung der ersten Monatsmiete zur Reservierung des Zimmer löste sich das angeblich existierende Zimmer in Luft auf und ich habe nie wieder von der “Vermieterin” gehört. Polizei und Bank sind in einem solchen Fall bei Identitätsfälschung auch eher machtlos.
Nach einem solchen Disaster als psychischer Start in das Praktikum konnte es dann aber nur noch bergaufgehen! Seit ich in England bin, fühle ich mich mit so vielen unterschiedlichen Themen, Sitten und Meinungen konfrontiert und ich tauchte sehr schnell in die britische Kultur ein. Verglichen zu Münster als starker Kontrast fiel mir zuerst die Verschiedenheit vieler Kulturen auf: Manchester als Exemplar kann als eine in allen Facetten schillernde, lebhafte, multi-kulturelle Stadt im Nordwesten Englands beschrieben werden. Viele Viertel schließen um die Innenstadt aneinander an, und genauso die unterschiedlichen Kulturen der Menschen, die diese bewohnen. Auch das tägliche Tummeln an der Universität setzt sich aus Studenten aller UK-Länder, vielen Studierenden aus dem asiatischen Raum, Erasmus-Studenten aus Europa und der Welt, Amerika, Australien und und und zusammen.
Genau das macht es hier jeden Tag neu wieder spannend, weil ich so viele unterschiedliche Gesichter, Persönlichkeiten, und Interaktionen untereinander erlebe. Als “typischen” britischen Sitten, die man erwartet und natürlich auch im Land wiederfindet, habe ich während meiner Zeit folgende wahrgenommen: das Pub-Leben als ein Ort des sozialen Lebens; auffällige Höflichkeit bei vielerlei öffentlichen Servicen (Bus, Bahn, Geschäfte, Supermarkt) und auch privat wird nach meinem Gefühl mehr “Danke gesagt”, die britische Küche in all ihren Facetten: Das Sunday-Roast in jedem Lokal, die vielen fried-Gerichte, besonders reichhaltige und vielfältige Kuchenkultur (Die Backsendung The Great British Bakeoff war zwischenzeitig mit einem stärkeren Interesse behandelt als das Brexit Referendum in den Schlagzeilen britischer Zeitungen und Onlinemagazinen, als der Wechsel der Show zwischen BBC-Sendern und die damit verbundene Abdankung der Moderatoren und einer beliebten Jujorin bekannt wurde…). Die Toast-, statt Vollkornbrotkultur, die vielen Live-Music Gigs in verschiedenen Orten, Genres und Größen (!ein Hauptaspekt, den ich am meisten vermissen werde!), Städte mit vielen alten Gebäuden, Kirchen, Geschichte, und vieles mehr.
Bezogen auf das Brexit-Votum fand ich am Anfang meines Aufenthaltes vor allem Gespräche mit vielen jungen Briten interessant, da mir das Ausmaß der engen Verknüpfung zwischen Politik und Familie viel stärker vor Augen geführt wurde: Mir wurde von vielen persönlichen Erfahrungen der eigenen split families erzählt, in denen es große Diskussionen, Ausklaffungen, etc. nach dem Votum zwischen den einzelnen Generationen seit dem Votum gibt. Außerdem spannend fande ich, mit der jüngeren Generation über ihr eigenes Unverständnis und die Unsicherheit zu sprechen, bald die” europäische Identität als einen Teil ihrer eigenen zu verlieren” (Zitat eines Freundes aus Norwich).
Für Musikliebhaber ist vor allem das Northern Quarter eine echte Anlaufstelle, da besonders viele Gigs, Live-Acts vieler Newcomer und andere Musikevents diverser Record Labels hier regelmäßig stattfinden. Es ist als das Künstlerviertel Manchesters bekannt und zeichnet sich durch seinen individuellen Flair aus. Abseits der Haupteinkaufsstraßen ist es zu meiner Lieblingsecke in der Stadt geworden, wenn ich mal dem Menschentrubel und den klassischen Läden und Geschäften entkommen wollte, und Gemütlichkeit, kreativen Charme und Inspiration gesucht habe.
Ebenfalls am Rande der Innenstadt erstrecken sich die Kanäle von Manchester, und die Spazierwege durch die Flächen des alten Victorian Warehouse zeigen ein ganz anderes industrielles Manchester als die Innenstadt selbst.
Sitten und Traditionen ist immer das eine, und für den einen trifft es zu, der andere hat damit trotz derselben Nationalität nichts am Hut. (Besagter Freund aus Norwich mag weder Tee noch Yorkshire Pudding).
Natürlich wurde und werde ich hier in Manchester auch viel mit Stereotypen konfrontiert, und ja, Engländer haben viele gegenüber den Deutschen! Wenn man in einem anderen Land lebt, fallen einem in der Verhaltensweise viele Unterschiede zum eigenen Heimatland auf, und so geht es auch mir. So wie ich zum Beispiel als Fahrradfahrer den geregelten Verkehr in Münster schätze, ist es hier ein einziges Chaos. Dagegen wirkt sich meine erlebte stärker bewusste Erfahrung der Höflichkeit untereinander auch auf einen selbst aus und ich nehme mir vor, diese auch in Deutschland mehr anzuwenden. Dass ich direkt als “ungerman” bezeichnet werde, weil ich unpünktlich, unorganisiert, Sinn und Humor habe und auch selber ständig ironische Bemerkungen mache, muss wohl gar nicht erwähnt werden. Und als ein Kommentar on top: den mir ein Freund, damals beim Kennenlernen, zu meiner Erklärung gegeben hat, dass ich kein Bier will, weil ich gluten-intolerant bin: “Oh that’s such a shame. I really hope for you you’re not from Bavaria then!” Weil der in Lederhosen oder Dirndl biertrinkende Deutsche, vielleicht auch in Trekkingsandalen, ist hier natürlich allseits bekannt.
Es waren eher die Deutschstudenten, die sich mit Deutscher Landeskunde beschäftigen oder selbst schon in Deutschland waren, die nicht direkt jedes Klischee und Schubladendenken adoptieren. Dagegen ist mir auch aufgefallen, dass es wahrscheinlich ein national angeborenes Verhalten ist, sich regionalbezüglich über andere Landsleute lustig zu machen. So wie auch in Deutschland zwischen den verschiedenen Bundesländern, bin ich auch hier immer wieder darüber unterrichtet worden, wie die im Süden “so ticken” im Vergleich zu denen im Norden, wie jeder sich immer an der Imitation der verschiedenen Accente und Dialekte versucht, und dass es typische Dorf- und Stadtmenschen gibt.
Außerhalb Manchesters habe ich Liverpool, York (eine sehr alte, das Zentrum mit noch alten Stadtmauern umgebene, kleine britische, wunderschöne Stadt), und die Gegenden und Landschaften im Nordwesten um Manchester herum besucht. Der Peak District als Nationalpark hat viele Möglichkeiten, in die Natur und Landschaft einzutauchen und seine Wanderschuhe auszugraben!
Jeder, der eine Zeit lang in Deutschland lebt, wird in jeder anderen Stadt variierende Erfahrungen mit der deutschen Kultur machen. Da ist es nur verständlich, dass ich hier in Manchester auch nur von den hier erlebten Blickfeldern, Orten, Menschen und Gewohnheiten viele Erinnerungen mit nach Hause nehmen kann. Jedoch macht dies genau diese intensive Erfahrung und persönliche Bereicherung aus, und gibt Vorfreude, noch viel mehr Orte Großbritanniens in Zukunft zu erkunden!
Liebe Martje,
ich war 2012 Praktikantin dort und hatte eine unvergessliche Zeit. Das Praktikum hat mich beruflich wirklich weitergebracht, heute arbeite ich in einer ähnlichen Institution und das hätte ich damals nicht gedacht.
Manchester hat mir wirklich gut gefallen, ich habe v.a. die verschiedenen Mussen besucht, aber ich war auch in Salford, Chester, Liverpool, Leeds und Buxton.
Mit meiner damaligen Mitpraktikantin habe ich immer noch Kontakt und es freut mich, dass du dort eine ebenso schöne Zeit hattest, wie wir.
Herzliche Grüße,
Katharina