Zehn Sechzehntel meines Praktikums bei Renault in Paris sind mittlerweile vergangen. Genaugenommen befindet sich das Gebäude in Le Plessis-Robinson, etwa zehn Kilometer von Paris entfernt. Um auf das Gelände zu gelangen, muss man mehrfach seinen Ausweis aus dem Autofenster vorzeigen. Geschickterweise fällt er mir natürlich regelmäßig runter, sodass sich hinter mir eine hupende Schlange ansammelt. Nachher muss man sich noch über die hier üblichen Bremsschwellen quälen. Unser Standort besteht aus zwei großen Gebäuden namens Arcade und Novadis. Ich arbeite in letzterem.
Mein Bewerbungsgespräch fand auf Englisch statt und tatsächlich wird auf der Arbeit auch viel mit dieser Sprache gearbeitet. Präsentationen werden international verwendet und müssen daher auf Englisch verfasst werden. Jedoch sind die Gespräche untereinander nicht selten auf Französisch und ich versuche mich dem anzupassen. Anpassen musste ich mich auch daran, dass die Tastaturen hier anders sind, sodass ich dauernd das A und das Q vertausche. Und ein ß habe ich auch vergeblich gesucht. Die englische Sprache ist hier auch von hoher Bedeutung, da viele Mitarbeiter in andere Regionen entsendet werden.
In Deutschland rühmt man sich ja oft der hohen Arbeitsmoral und belächelt die Franzosen wegen ihrer 35-Stunden-Woche. Allerdings wird es mit dieser hier nicht ganz so ernst genommen, sodass man doch leicht auf deutsche Verhältnisse kommt. Für einen Studenten ist eine 35-Stunden-Woche sicher angenehmer, aber auch eine längere Arbeitszeit geht schnell vorüber, wenn man gut zu tun hat.
Viele Angelegenheiten werden hier in Meetings geregelt. Dafür gibt es zahlreiche Räume jeglicher Größe mit mehr oder weniger kreativen Namen. Somit konnte ich schnell Einblick in die Vernetzungen innerhalb des Unternehmens bekommen. Da meine Abteilung für das weltweite Netzwerk von Renault verantwortlich ist, habe ich in wenigen Wochen schon viel von den internationalen Aktivitäten des Unternehmens mitbekommen.
Konkreter beschäftigen wir uns beispielsweise im Moment damit, ein Instrument zu entwickeln, dass den Vergleich mit Konkurrenten bezüglich der Effizienz vereinfacht. Hierfür müssen nicht nur Daten gesammelt werden, sondern auch eine funktionierende Oberfläche geschaffen werden.
Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass Renault nicht einfach nur aus Renault besteht, sondern auch aus Dacia, Lada in Russland, RSM in Südkorea und neuerdings auch aus Alpine. Außerdem existiert seit 1999 die Allianz mit Nissan. Innerhalb dieser Marken kommt es oft zum Austausch von Mitarbeitern, um die Vernetzung weiter zu stärken. Jedoch gibt es bei Renault auch klare Aufgabenteilungen. In meiner Abteilung kümmern sich beispielsweise unterschiedliche Teams um die Markenidentität oder um die Effizienz und die Entwicklung des Netzwerkes. Im zuletzt genannten Bereich darf ich helfen. Um sicherzustellen, dass diese länderübergreifende Zusammenarbeit einwandfrei funktioniert, ist der Standort hervorragend ausgestattet.
Dies betrifft nicht nur die Technik. Hier in Le Plessis-Robinson gibt es zwei interne Restaurants, bei denen man sich bei den Beilagen beliebig oft nachnehmen kann. Leider mache ich davon viel zu oft Gebrauch, weswegen ich Angst um die Strapazierfähigkeit meiner Hemden habe. Dieser Umstand wird noch verschlimmert dadurch, dass es hier Tradition ist regelmäßig Süßigkeiten für die Kollegen mitzubringen. Glücklicherweise gibt es aber auch Fitnessräume und sogar verschiedene Sportkurse. Und wenn man sich beim Essen oder beim Sporttreiben zu sehr verausgabt hat, kann man ein Powernap machen in den dafür vorgesehenen Schlafräumen. Von so etwas habe ich bisher auch noch nie gehört. Bis zum jetzigen Zeitpunkt habe ich das Angebot noch nicht in Anspruch genommen.
Meinerseits gab es unter den vielen Dingen bisher zwei Highlights. Zum Einen, auch wenn es vielleicht phrasenhaft klingt, sind da meine Kollegen, die mir einen perfekten Einstieg ermöglicht haben und auch nachsichtig sind, wenn ich mal meine Probleme mit der Sprache habe und zum anderen war da das Teambuilding-Event. Das fand in einem alten Anwesen statt. Tatsächlich haben wir dort erstaunlich viel gearbeitet. Allerdings gab es auch genügend Zeit, um schwimmen zu gehen oder sich anderweitigen Beschäftigungen zu widmen. Beim Karaoke habe ich nicht mitgemacht. Das wäre für alle Beteiligten eine traumatische Erfahrung geworden. Dafür habe ich erneut beim Essen zugeschlagen.
Ganz abgesehen davon, dass mein Praktikum wahrscheinlich den ein oder anderen Knopf an meinem Hemd platzen lassen wird und ich in Deutschland sicherlich froh sein werde wieder eine Taste mit dem ß zu haben, legt Renault die Messlatte sehr hoch, was Internationalität und Arbeitsqualität betrifft.
Bien cordialement
Nico
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