Vorwort:
Ein bekanntes Schlagerlied besingt ja gerne den Traum von Amsterdam und wie das mit Träumen nun mal so ist, gibt es schöne und schlechte Träume. Und bevor meine Träume der letzten zwei Monate verloren gehen, möchte ich hier einige Erfahrungen und Tips mit euch teilen.
Art des Aufenthaltes:
Erasmus-Praktikum – Zweimonatiger Forschungsaufenthalt im Rahmen der Masterarbeit im Bereich der Wirtschaftschemie an der Waag Society (http://waag.org/en). Einem unabhängigen Media- und Technologie-Lab im Zentrum von Amsterdam. Meine Hauptaufgabe war die wissenschaftliche und administrative Projekt-Entwicklung und Organisation der Community-Veranstaltungen.
Vorbereitung des Aufenthaltes:
Im Dezember bin ich zufällig auf eine Stellenanzeige gestoßen. Den Arbeitgeber bzw. die einzelnen Personen kannte ich vorher schon von Events. Zu diesem Zeitpunkt war ich dabei, meine Masterarbeit zu planen und traf kurzerhand den Entschluss, diese zwar an einem Lehrstuhl der WWU zu schreiben, aber trotzdem Erfahrungen und Daten vor Ort in der Praxis zu sammeln. In einer einfachen Bewerbungsmail ohne Lebenslauf oder Zeugnisse habe ich mich relativ formlos informiert, ob es möglich wäre, das Praktikum mit meinem Vorhaben der Masterarbeit zu verknüpfen. Ein Skype-Gespräch und eine Woche später hatte ich die Zusage. Das war alles relativ einfach und entspannt.
Nun galt es, das Leben dort zu organisieren und die Wohnungssuche ist ein Alptraum. Voweg: Wenn du während deiner Zeit an einer der Universitäten hier eingeschrieben bist, hast du Glück, denn dann hat man wohl das Anrecht auf einen Platz in einem Wohnheim. Das ist billig, gut und sehr sozial. Mein Arbeitgeber hat mich bereits im Gespräch gewarnt vor dem Wohnungsmarkt in Amsterdam und einige Tips gegeben. Wer meint, der Wohnungsmarkt in Münster sei intensiv, der wird sich in Amsterdam in der wahren Hölle wiederfinden. Es ist nicht nur teuer, einen Ort zum Bleiben zu finden, sondern auch wirklich schwierig. Kamernet, ein Portal wie “WG-gesucht”, kann ich nicht empfehlen. Es kostet eine monatliche Gebühr, und wirklich geholfen hat es nicht. Auf 50 Anfragen meinerseits habe ich 3 Antworten erhalten, eine davon war sogar – recht offensichtlich – Betrug. Das passiert hier wohl sehr häufig, also aufpassen. Im Nachhinein habe ich von den Holländern erfahren, dass man, sobald man eine Anzeige schaltet, bis zu Hundert Anfragen in kürzester Zeit erhält. Preislich solltet ihr auf dem freien Markt 500-800 Euro einplanen. Alternativ kann man auch pendeln aus den vielen Städten um Amsterdam. Viele meiner Arbeitskollegen pendeln täglich. Was für mich als Praktikant und Angestellter erschwerend hinzukam, war es eine Bleibe zu finden, bei der man sich bei der Stadtverwaltung registrieren darf. Diese Meldebescheinigung war Voraussetzung für meinen Arbeitsvertrag. Allerdings sind solche Orte für 2 Monate noch seltener als freie Zimmer sowieso schon sind. Nach Abklappern von Freunden und Kontakten, wurde mir das Hotel Jansen empfohlen. Dabei handelt es sich um ein Art Studenten/Praktikanten short-term stay / Wohnheim. In dieser Art von gewinn-orientierten Wohnheimen darf man maximal 6 Monate pro Jahr leben und bekommt die Möglichkeit, sich zu registrieren. Je länger man bleibt, desto „billiger“ ist es. Mit 750 Euro pro Monat war mein Zimmer sehr teuer, aber insgesamt war es doch ein guter Deal. Das Zimmer mit Bad war neu, sehr schön ausgestattet, die Lage war in Ordnung und man hatte keinen Ärger mit Mitbewohnern. Der Zugang zur Gemeinschaftsküche war nicht nur für die Verpflegung sehr angenehm, sondern auch, um sofort viele Leute kennenzulernen. Viele meiner Zimmernachbarn arbeiteten bei Unternehmen, die extra Rahmenverträge und somit Kapazitäten hatten. Wer wirklich ein Zimmer auf dem freien Markt ergattern will, der braucht einen langen Atem, Glück, Ellenbogen und sollte wahrscheinlich 1-2 Wochen Suche VOR ORT einplanen. Dies wollte ich mir nicht antun und die Zeit lieber in meine Arbeit und das Leben vor Ort investieren. Ich bereue die Entscheidung auch nicht und wünsche jedem viel Erfolg bei der Suche.
Bürokratie vor Ort und vor Arbeitsbeginn:
In der Bürokratie stehen die Niederländer den Deutschen nicht nach. Für meinen Praktikumsvertrag brauchte ich sowohl die gerade angesprochene Meldebescheinigung und ein niederländisches Bankkonto. Wozu man dies in Zeiten von Europa, Online-Banking und IBAN-Nummern noch braucht, konnte mir bis heute niemand schlüssig erklären. Auch habe ich den Aufwand unterschätzt, ein Konto hier zu eröffnen. Man braucht etliche Unterlagen und in vielen Fällen verlangen die Banken, dass man für eine Konto-Eröffnung einen Termin macht. Ich bin letztendlich von Bank zu Bank gelaufen, bis mir jemand ein Konto eröffnet hat. Für die Meldebescheinigung empfehle ich auch, rechtzeitig einen Termin zu machen. Mit diesen Unterlagen im Gepäck konnte ich am ersten Arbeitstag meinen Vertrag unterschreiben und das Praktikum konnte losgehen.
Insgesamt war das für die kurze Zeit schon sehr viel Aufwand. Vieles dabei war nicht nur nervig, sondern hätte auch schnell zum Alptraum werden können.
Leben in Amsterdam:
Kurz gesagt, das Leben in Amsterdam ist sehr schön, abwechslungsreich und lebenswert, aber teuer. Nicht nur Mieten sind teuer, tägliche Einkäufe in Supermärkte sind auch etwas teurer und leider auch die Freizeit. Man sagt ja immer, ein Big-Mac-Menü ist ein guter Standard um das Preisniveau eines Landes oder eine Stadt zu bewerten. Ich esse allerdings kein Fast-Food, deswegen versuche ich hier es auf eine andere Art anschaulich vergleichbar zu machen: Den Bier-Index. Je nach Lage kostet ein 0,3 Bier bis zu 4,30 Euro. Unterhaltsam fand ich persönlich die Tatsache, dass in vielen Bars als hippes, deutsches Flaschenbier Öttinger ausgeschenkt wird. Die Flasche zu dem Preis, für den man in Deutschland wohl einen halben Kasten (ohne Pfand) bekommt. Wer gutes Bier mag, dem empfehle ich gleich die Browery tji. Dabei handelt es sich um eine Brauerei in einer sehr idyllischen Windmühle. Das Nachtleben bietet sehr viel, allerdings fand ich vor allem die studentischen Kneipen in weniger touristischen Gegenden gut. Niederländer schätzen sehr ihre “gezelligheid“ und waren schockiert, als ich ihnen erklärt habe, dass es in Deutschland auch dieses Wort gibt. Nach der Arbeit ist man sehr gerne auf ein kleines Bierchen in die Bars gegangen.
Weg vom Bier zu anderen Kulturgütern: Amsterdam bietet viel Kunst und kulturelle Aktivitäten. Wen dies interessiert, dem empfehle ich die Museumskarte, mit der man nach einem einmaligen Kauf in sehr viele Museen kommt. Allerdings sind die Schlangen gerade am Wochenende doch sehr lang. Meine Wochenenden bestanden hauptsächlich aus touristischen Aktivitäten, da viele Freunde die Möglichkeit genutzt haben, Amsterdam und auch hoffentlich mich zu besuchen. Standardprogramm dabei ist, Amsterdam stets mit dem Fahrrad (dem Verkehrsmittel der Wahl) zu erkunden.
Amsterdam kann aber auch anstrengend sein. Es ist immer viel los, viele Gegenden sind voll von Touristen, der Verkehr mit den Fahrrädern kann sehr herausfordernd und gefährlich sein. Fahrräder werden gerne geklaut, dank vieler Scherben auf den Wegen sind auch Platten keine Seltenheit. Vom Wetter her kann ich euch beruhigen, ich habe wenig Unterschied zu Münster festgestellt. Es regnet gerne und es ist allgemein sehr wechselhaft. Hätte ich es anders planen können, wäre ich wohl lieber im Sommer nach Amsterdam gekommen, denn Amsterdam ist trotz seiner Größe eine sehr grüne Stadt. Das Fahrradfahren entlang der Kanäle und durch den größten Park der Stadt war jeden Tag ein schöner Bestandteil meines Weges zur Arbeit (25 Minuten).
Fazit:
Es war eine tolle, lehrreiche und abwechlungsreiche Zeit in Amsterdam. Der Aufwand war zwar groß vorher, aber wenn man erstmal eine Bleibe hat, sich eingelebt und orientiert hat, dann ist Amsterdam eine hervorragende Stadt für ein Praktikum in einem internationalen Umfeld. In meinem direkten Vergleich zu meinem Erasmus-Studium in Granada, Spanien, würde ich aufgrund der Lebenserhaltungskosten und des Wetters für ein Studium aber doch Spanien vorziehen.
Amsterdam muss nicht unbedingt teuer sein. Die meiste Einwohner von Grossraum Amsterdam, wohnen nicht im Zentrum. Das Zentrum von Amsterdam beinhaltet knapp 90’000 Einwohner, im Großraum Amsterdam wohnen knapp 2.5 millionen Menschen. Jeder möchte natürlich gerne in eine 2Grachtenwohnung am Keizersgracht”. Aber ist es Fair zu erwarten das diesen günstig zu haben sind? Schau mal an was ein Wohnung im Zentrum kostet von München, Paris oder London. Man kann ja nicht einen zweiten alten Zentrum bauen. Deswegen verstehe ich ehrlich gesagt niemals Studenten die Klagen über «Mietpreisen sind so teuer in Amsterdam». Ja im Zentrum. Einen A Lokation in einen Spitzenstadt… selbstverständlich. Ich bin in meiner Studentenzeit auch mit dem Zug gefahren um höhe Mietpreisen zu vermeiden.
Du kannst gunstig Wohnen in Paris, Barcelona und.. Amsterdam. Wenn man realistisch ist und recherchiert findet in Großraum Amsterdam günstige Mietwohnungen oder Zimmer. Satellitenstädten wie Diemen, Almere, Haarlem oder Amstelveen sind von Amsterdam CS innerhalb 20 Minuten erreichbar. Das ÖV ist hervorragend in und um Amsterdam.
Zweitens kannst du natürlich Amsterdam mit seinem großartiges Kulturangebot nicht vergleichen mit Provinzstadten wie Granada (oder Düsseldorf). Klar sind die günstiger. Natürlich sind das auch schöne Stadten. Keiner Frage. Aber in Amsterdam hast du ein grosseres Kulturangebot als in das ganzen Ruhrgebiet (OK… das hat Granada oder Sylt vermutlich auch.. ) Spaß beiseite.
Zum Esskultur. Da ist Deutschland sicher “weniger Schlecht”. Ein Fehler aber ist es die «Kroketten, Frikandellen» Buden mit Restaurants zu vergleichen. Das sind diesen nicht. Die «Snackbars» oder Cafetaria, sind eher vergleichbar mit den Bratwürsten Standen. Also Fastfood Imbiss Restaurants, die es in Holland in Unmengen gibt. Die altere Generation geht nur selten Auswärts essen. Die jungere Generation adoptiert, zum Glück, mehr und mehr die Kulinarischen Feinheiten die es Südlich von Holland gibt. Die Meiste Holländer nehmen aber noch immer ihres Mittagessen mit und gehen nur selten «richtig» auswärts essen (da meine ich also nicht die Cafetarias..).
Deutschland hat die bessere Landwirtschaft und die bessere Nahrungsprodukten. Wie Eures fantastisches Brot. Ein richtigen Kulinarischen Kultur fehlt aber auch in Deutschland finde ich. Da ist Schitzel/Bratwurst angesagt ( oft Kiloweise. Kein wunder seit Ihr alle 100 Kilo! ) Ich bin aber persönlich sehr gerne in Bayern oder Schwarzwald unterwegs. Eine Oase von herrlichen Biergarten, einfache aber ehrliche Küche und herrliche Kleinstädtchen. Im Herbst Wildfleisch in einer von vielen kleinen alten Restaurants in Schwarzwald. Einfach, ehrlich und gut. Also ihr seit auf eure Art und Weise auch richtige “Lebensgeniesser” finde ich! Das Bayerische Bier gehört mit den Belgischen Bieren meiner Meinung nach auf die UNECO Welterbe Liste..
Aber wenn ich an gutes Essen denke, denke ich doch eher noch an Länder wie Belgien, Frankreich, Spanien oder Italien.