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Adeus Lisboa! – Rückblick auf 100 Tage Lissabon

Mein Aufenthalt in Lissabon nähert sich dem Ende und ich freue mich schon darauf, am Ende der Woche mit meiner Familie unterm Weihnachtsbaum zu sitzen. Außerdem freue ich mich darauf, den Verkehrslärm Lissabons im ländlich geprägten Münsterland hinter mir zu lassen und ich freue mich auf die Gemütlichkeit von beheizten Häusern.

Endlich nicht mehr mit dicker Jacke auf dem Sofa sitzen! Ja, auch in Lissabon wird es im Winter kälter. Zwar bei weitem nicht so kalt wie in Deutschland, aber dafür sparen sich die Lissabonner den Luxus einer Zentralheizung. Ein Umstand, den die meisten Lisboetas inzwischen selbst bereuen. Beim Bau neuer Appartements wird zumindest nicht mehr auf den Einbau einer Zentralheizung verzichtet. Natürlich kann ich es auch kaum erwarten alle meine Freunde in Deutschland wiederzusehen, auch wenn sich dabei etwas Wehmut mit hinein mischt, meine neuen Freunde aus Lissabon zu verlassen.

Des Weiteren werde ich wohl das portugiesische Essen in Deutschland schmerzlich vermissen, insbesondere die vielen Zubereitungsarten des portugiesischen Nationalfisches Bacalhau, wie Bacalhau à Brás, Bacalhau com Nata, Pataniscas de Bacalhau und Pasteis de Bacalhau, um nur ein paar zu nennen. Auch die Feijoada, Alheira com Ovo und Pasteis de Nata sind mir bisher noch nie in Deutschland untergekommen. Ebenfalls fehlen werden mir die unzähligen Cafés und Pastelerias mit allerlei Süßkram und feinem Gebäck zu erschwinglichen Preisen und die unglaubliche Vielfalt und Qualität an Bolos de Chocolate. Das gute Wetter und den vielen Sonnenschein werde ich vermutlich auch in Lissabon zurücklassen müssen, ebenso wie die schöne Mischung aus unbeschwerter, entschleunigter Lebenseinstellung direkt neben dem geschäftigen und teilweise gehetzten Treiben einer europäischen Hauptstadt.

Aber was nehme ich mit aus 100 Tagen Auslandspraktikum? Eine ganze Menge, möchte ich doch meinen! Ich habe mit DL_POLY ein neues Softwarepaket zur Ausführung von Molekulardynamik (MD)-Simulationen kennengelernt und ein besseres Verständnis der Funktionsweise und Parametrisierung von Kraftfeldern erlangt. Ich wurde an neue Auswertungsmethoden und -programme zur Analyse von MD-Trajektorien herangeführt und habe mit der Modellierung von flüssig-fest Grenzflächen sowie den Konzepten von freeze groups und position restraints neue Simulationstechniken kennengelernt. Natürlich habe ich währenddessen beständig mein Wissen über ionische Flüssigkeiten, insbesondere über deren Nanostrukturierung, erweitern können. Nicht zuletzt wurde (bzw. werde) ich in den Prozess des Schreibens und Veröffentlichens einer wissenschaftlichen Publikation eingebunden, was für meine geplante wissenschaftliche Laufbahn von enormer Bedeutung ist. Abgesehen von diesem fachspezifischen Wissen konnte ich auch wichtige soziale und interkulturelle Schlüsselkompetenzen erwerben sowie meine Englischkenntnisse verbessern.

Dennoch würde ich das nächste Mal ein paar Dinge anders angehen. Insbesondere würde ich mir mehr Zeit nehmen, die Landessprache besser zu lernen (auch wenn ich gar nicht weiß, wo ich diese Zeit noch hernehmen soll). Inzwischen kann ich zwar einfache portugiesische Texte ganz gut lesen, aber Portugiesisch sprechen und verstehen kann ich selbst nach über drei Monaten in Lissabon kaum bis gar nicht. Außerdem würde ich vermehrt und offener auf andere Menschen zugehen, um schneller neue Freunde zu finden. Kurzzeitig habe ich mich nämlich ziemlich einsam gefühlt.

Ich denke, dies ist auch eine Facette des Auslandsaufenthalts, die mich am stärksten geprägt hat. Es ist mir noch einmal deutlich klar geworden, wie wichtig mir meine Familie und Freunde sind. Aber so ein Auslandsaufenthalt wirkt sich natürlich auch auf andere Bereiche der Persönlichkeit aus. Weltoffen war ich eigentlich schon vorher, aber gerade meine Bekanntschaft mit Iong Weng Kei und Lilian Liu hat mein Bild von Macau und Mainland-China nachhaltig verändert. Zudem haben 100 Tage Lissabon mein planendes und vorausschauendes Wesen spontaner und flexibler werden lassen. Es muss nicht immer alles nach Plan laufen und wer nach Lissabon kommt, wird schnell merken, dass das hier auch gar nicht funktioniert. Spätestens, wenn das Museum oder Restaurant, wo man eigentlich hin wollte, trotz anders lautendem Aushang geschlossen hat oder der Bus plötzlich eine andere Route fährt, kann man seine Tagesplanung über den Haufen werfen und sein Improvisationstalent beweisen. Aber das ist nicht weiter schlimm, denn so lernt man immer wieder neue Ecken und verborgene Orte kennen, die man sonst nie besucht hätte.

Abschließend bleibt mir nur noch, mich bei allen zu bedanken, die mir diesen unvergesslichen Aufenthalt in Portugals Hauptstadt ermöglicht haben. Dazu zählen die beiden Professoren aus Münster und Lissabon, Frau Ruth Nolden vom WWU Career Service und natürlich meine Eltern. Gerade in Zeiten der um sich greifenden EU-Skepsis sollte an dieser Stelle auch die Europäische Union erwähnt werden, die das Reisen und Arbeiten in Lissabon durch die Freizügigkeit innerhalb der EU und durch die finanzielle Förderung durch das Erasmus+ Programm so einfach und unkompliziert gemacht hat.

Das war vermutlich mein letzter Beitrag zu diesem Blog. Ich hoffe, ich konnte euch mit meinen Berichten bei der Entscheidung für oder gegen einen Auslandsaufenthalt etwas helfen und euch insbesondere das Leben und Arbeiten in Lissabon etwas näher bringen. Ich kann nur jedem dazu raten, den Schritt ins Ausland zu wagen, denn es wird eine einmalige, unvergessliche und das Leben bereichernde Erfahrung sein. In diesem Sinne verabschiede ich mich aus und von Lissabon. Wir sehen uns in Deutschland wieder!

Andreas

Olá! Mein Name ist Andreas und ich studiere Chemie im dritten Mastersemester. Für Chemiestudenten der WWU also DER perfekte Zeitpunkt für einen Auslandsaufenthalt. Ich habe die Möglichkeit bekommen, ein dreimonatiges Forschungspraktikum am Instituto Superior Técnico da Universidade de Lisboa im Bereich der Theoretischen Chemie zu absolvieren. Ich hoffe, dass meine Berichte euch bei der Planung eures Auslandsaufenthaltes unterstützen und wünsche allen künftigen Auslandsreisenden viel Spaß und Erfolg. Grüße aus Lissabon, Andreas.

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