Taxi-Tetris und Hochzeit in Schachrisabs

Wir fünf fuhren mit dem Taxi (Version auf der Straße anhalten) von Samarkand nach Schachrisabs, heißt vier auf der Rückbank, einer vorne. Die Aussicht auf der Fahrt konnten wir trotzdem genießen, zumal wir unsere Reise gezwungener Maßen schlappe 50 Minuten unterbrechen mussten: Eine Routinekontrolle beim Passieren der Regionsgrenze hielt unseren Fahrer auf.

Warum genau wir angehalten wurden und vor allem warum wir so lange warten mussten, werden wir leider nie erfahren. Unser erster Gedanke, dass die Fahrt zu viert auf der Rückbank auch in Usbekistan vermutlich nicht legal ist, verflüchtigte sich recht schnell, weil unsere Identität für den Polizisten von keinem Interesse zu sein schien. Wirklich unterhalten haben sich die Beamten mit unserem Fahrer aber auch nicht. Vielmehr stand der wartend in der Gegend herum, während sie mit anderen Fahrzeugen beschäftigt waren. Mit allen fünf Minuten, die verstrichen, wurden wir nervöser, wollten wir uns doch nach der im wahrsten Sinne des Wortes schweißtreibenden Fahrt im Chevi wenigstens noch eine dreiviertel Stunde für die Hochzeitsfeier, die um 18 Uhr beginnen sollte, schick machen können!

Aus den 45 Minuten wurden dann leider nur zehn: Als wir gegen 17:10 Uhr in Schachrisabs ankamen, empfing uns unsere Ansprechpartnerin Hafiza, eine Übersetzerin, deren Namen wir im Laufe unseres weiteren Aufenthalts tatsächlich in zahlreichen deutschsprachigen Publikationen usbekischer Literatur gefunden haben, bereits sehr aufgewühlt, weil wir um 17:30 Uhr zur Hochzeit loslaufen sollten.

LAUFEN??! — Über die usbekischen Transportmittel habe ich zum Teil ja schon berichtet (ja, wer meint, ein Blogeintrag reiche dafür, hat sich gründlich geirrt! Ich habe noch nicht vom Flugzeug erzählt, nicht vom Esel, nicht vom Damas-Kleinbus), aber den generellen Zustand der Fußwege dabei außen vor gelassen: Schlaglöcher von bis zu fünf Zentimeter Tiefe, zu 70 Prozent mit losem Gestein bedeckt, drapiert mit einer leichten bis mitteldicken Schicht aus Staub und Sand beschreiben den durchschnittlichen Gehweg ganz gut. 50 Meter davon schaffe ich auch mit Highheels, aber einen Kilometer?! Ich springe also, nachdem ich das Hippodromkleid übergeworfen habe, wieder in meine Wanderschuhe und bepacke eine „Studentenwerk Münster“-Tasche mit Highheels und Fotokamera. Tatsächlich schaffen wir es alle, halbwegs wohlriechend und ansehnlich pünktlich im Hof unserer wunderschönen Herberge zu stehen. Zu unserer großen Erleichterung wurde umdisponiert und zumindest die Damen werden nun doch gefahren, sodass die Wanderschuhe wieder ins Zimmer kommen und wir sogar zehn Minuten zu früh an der großen Hochzeitshalle „Glückliche Familie“ ankommen. Da es für uns alle die erste und vermutlich letzte usbekische Hochzeit ist, sind wir sehr gespannt. Nachdem wir zahlreiche Fotos von unseren Outfits und dem Interieur geschossen, die Hochzeitstorte und den überdimensionalen Warmwasserbehälter für den Tee bewundert und einen Plausch mit den Küchendamen gehalten haben, werden wir doch nervös. Es ist mittlerweile 18:45 Uhr und wir sind immer noch die einzigen Gäste im Raum. Etwas falsch verstanden haben wir aber nicht, wie Hafiza bestätigt. Verzögerungen sind anscheinend bei usbekischen genauso üblich wie bei deutschen.

Um 19:30 Uhr ist es dann endlich soweit, die Halle hat sich gefüllt und zu einem Song, dessen Text uns mit „Braut kommt, Braut kommt“ übersetzt wird, zieht das Hochzeitspaar ein. Auf dem Weg nach vorn muss sich die Braut dabei alle paar Meter vor diversen Menschen verbeugen. Damit wir nicht völlig irritiert sind, wurde uns bereits vorab erklärt, dass die Braut am Hochzeitstag ob des Abschieds von ihrer Familie traditionell Demut zur Schau stellen muss. Dazu legt sie die rechte Hand aufs Herz und schlägt die Augen nieder. Mein Foto unten ist also ein absoluter Schnappschuss, auf dem die Braut ihre Neugierde auf die ausländischen Gäste ihres Mannes nicht verbergen kann. 🙂 Die restliche Zeit über steht das Paar aber tatsächlich ziemlich steif und nicht besonders glücklich dreinschauend vorne, wird von Gästen für Fotos belagert und kommt auch deshalb nicht zum Essen, weil die Speisen vor ihnen schnell unter Tausendsumscheinen begraben sind, während alle anderen beim ersten Lied direkt auf die Tanzfläche stürmen. Als wir uns nach einiger Zeit trauen, unseren Eindruck, dass auf der Hochzeit offenbar alle so richtig Spaß haben, nur das Brautpaar nicht, einer Usbekin mitzuteilen, grinst sie und bestätigt: „Das ist normal. Die eigene Hochzeit ist nie die Beste!“

Wir haben jedenfalls eine Menge Spaß und tanzen, bis um 22:30 Uhr das Licht an und die Musik ausgeht und die Feier vorbei ist.

Unser täglicher Weg zur Uni. Ein Beispiel für die Qualität der ländlicheren Gehwege,
Unser täglicher Weg zur Uni. Ein Beispiel für die Qualität der ländlicheren Gehwege,
Taxi-Tetris die Erste
Taxi-Tetris die Erste
In zehn Minuten ausgehfertig: Wir fünf Münsteraner gerahmt von Rafisa, ihrer Tochter und Nichte.
In zehn Minuten ausgehfertig: Wir fünf Münsteraner gerahmt von Hafiza, ihrer Tochter und Nichte.

Der Hochzeitssaal. Der Platz des Brautpaars

Für ausreichend Teewasser ist gesorgt.
Für ausreichend Teewasser ist gesorgt.
Wir mit dem Brautpaar und der Trauzeugin. Acht Deutschsprecher.
Wir mit dem Brautpaar und der Trauzeugin. Acht Deutschsprecher.
Usbekisch tanzen hatten wir extra geübt, konnten dann aber doch ein bisschen die Hüften kreisen lassen.
Usbekisch tanzen hatten wir extra geübt, konnten dann aber doch ein bisschen die Hüften kreisen lassen.
Jeder will ein Bild mit den deutschen "Exoten".
Jeder will ein Bild mit den deutschen „Exoten“.
Die Braut in traditioneller Pose.
Die Braut in traditioneller Pose.

 

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