Hallo zusammen! Ich bin Marie und studiere im dritten Mastersemester Chemie an der Uni Münster. Nachdem ich im Februar und März diesen Jahres bereits für einen Forschungsaufenthalt in Singapur war (an dieser Stelle ein kurzer Verweis auf meine Blog-Einträge dazu) ging es für mich nun nach Philadelphia in die USA.
Hier bin ich erneut vermittelt durch Prof. Frank Glorius von der Uni Münster im Rahmen eines Forschungspraktikums für insgesamt sechs Monate. Ich arbeite an der „University of Pennsylvania“ (kurz Penn) in der Forschungsgruppe von Prof. Dirk Trauner an einem eigenen Projekt im Bereich der Photopharmakologie (ziemlicher Zungenbrecher, ich weiß). Was Photopharmakologie eigentlich ist, was ich hier so mache und wie meine Arbeitstage ablaufen berichte ich im nächsten Beitrag. Vorab möchte ich allerdings schon einmal sagen, dass ich allen Beteiligten sehr dankbar bin, diese beiden außergewöhnlichen Möglichkeiten dieses Jahr erhalten zu haben, denn das ist alles andere als selbstverständlich und manchmal fällt es mir schwer zu glauben, dass das alles wirklich passiert.
Zuerst möchte ich einmal über den organisatorischen Aufwand berichten, den dieser Aufenthalt so mit sich gebracht hat, denn mir war das Ausmaß dessen im Vorhinein nicht wirklich bewusst. An jeder Uni läuft der Prozess für das Visum etwas anders ab, daher kann ich an dieser Stelle nur subjektiv berichten, wie das Ganze an der Penn ablief. Vorab: Ich hatte ein Riesenglück mit meiner Visa-Koordinatorin Natanya, die mir zu jeder Tag- und Nacht-Zeit mit Rat und Tat zur Seite stand.
Bereits im August letzten Jahres hat Prof. Glorius mir die Gruppe von Prof. Trauner als eine mögliche Option für meinen Auslandsaufenthalt vorgeschlagen und nach einer kurzen Online-Recherche habe ich mich schnell entschieden das Angebot anzunehmen. Nach einem Gespräch mit Prof. Trauner über Zoom, ebenfalls in August hat er mich im November letzten Jahres an die Visa-Koordinatorin des Chemistry Departments der Penn weitergeleitet. Für die Uni musste ich diverse Dokumente von einem „Proof of Funding“ bis hin zu einem Englisch Zertifikat einreichen. An dieser Stelle würde ich jedem empfehlen die Prüfungen für das Cambridge Zertifikat oder den TÖFL Test zu absolvieren, denn nur diese Dokumente werden akzeptiert. Dadurch, dass ich das nicht wusste, musste ich einen von der Penn gesponsorten Online-Test über Zoom absolvieren. Das Ganze fand mit einem ACTFL-Prüfer wegen der Zeitverschiebung abends um acht Uhr statt und hat ca. eine halbe Stunde gedauert. Dabei konnte ich die Gesprächsthemen sehr gut lenken und habe den Prüfer daher 30 Minuten über Pferde und meine Forschung zugetextet (ich glaube er war erleichterter als ich, als das Interview vorbei war).
Nachdem diese Hürde überwunden war, wurde mir Ende Januar das DS-2019 für mein J1 Visum ausgestellt. Als nächsten Schritt musste ich die sogenannte SEVIS Fee überweisen, wofür die jetzt letztendlich war kann ich auch nicht sagen. Auf Grund meines Aufenthaltes in Singapur musste ich den Prozess um das Visum dann für zwei Monate pausieren. Um den Termin für das Visums-Interview in Frankfurt zu vereinbaren, musste ich als Nächstes einen Fragebogen der Regierung ausfüllen, und der hatte es wirklich in sich. Tipp an dieser Stelle: Nach jeder fertig beantworteten Seite zwischenspeichern!! Denn je weiter man kommt, desto größer die Tendenz der Website abzustürzen. Danach konnte ich einen Termin in Frankfurt vereinbaren (Berlin und München sind die beiden anderen Anlaufstellen in Deutschland, waren für mich aber schwerer zu erreichen). Für den Termin empfehle ich euch einfach mal alle Dokumente, die ihr irgendwie gebrauchen könntet mitzunehmen. Wirklich gebraucht habe ich aber nur die Bestätigungsseite des Online-Formulars, mein DS-2019 (das wird dort unterschrieben) und meinen Reisepass. Wichtig ist auch ein Passfoto in dem geforderten Format mitzubringen, das entspricht nämlich nicht der deutschen Normgröße. Stellt euch auf möglicherweise lange Wartezeiten ein. Außerdem dürft ihr keine elektronischen Geräte wie z.B. Handys und keine größeren Taschen mitnehmen, auch größere Flüssigkeitsmengen sind nicht erlaubt. Ich habe mir damals einfach eine Mappe mit allen Dokumenten zusammengestellt und nur diese mitgenommen. Als Visum bekommt man dann eine extra Seite im Pass eingeklebt, der einem innerhalb einer Woche zurückgesandt wird. Das heißt Ende April hatte ich endlich alle Dokumente zusammen und konnte einen Flug, sowie eine Wohnung buchen. In Philadelphia vor Ort musste ich dann nur noch durch die Einreisekontrolle und mir an der Uni meine „Penn Card“, also quasi meinen Studierendenausweis abholen. Das war beides super unkompliziert. Damit war zumindest der organisatorische Teil geschafft.
Abschließend bleibt mir zu dem Visums-Prozess zu sagen, dass das Ganze durchaus eine Menge Geld kostet und etwas Aufwand ist. Im Generellen ist das Alles aber absolut gut machbar, da alles immer sehr gut erklärt ist und man durch die meisten Schritte recht genau geleitet wird.
Für mich sollte es also Ende August endlich losgehen, eigentlich. Aber natürlich ist passiert was passieren musste: Streik der Fluggesellschaft. Durch etwas Glück konnte ich dann einen Tag später wirklich fliegen, aber die Nachricht „Your flight has unfortunately been canceled“ und den Stress danach werde ich niemals vergessen.
In Philadelphia angekommen ist mir recht schnell der große Unterschied zwischen dem Leben hier und in Deutschland bewusst geworden. Den ersten Kulturschock habe ich direkt auf dem Weg vom Flughafen zu meiner Wohnung erlebt. So bin ich an meinem ersten Tag in Philly in den Genuss der öffentlichen Verkehrsmittel hier gekommen und schnell war klar: Einmal und nie wieder! Bei 30 °C Außentemperatur durfte ich meinen Koffer mit Klamotten für 6 Monate die Treppen hoch und runter schleppen, weil hier Rolltreppen oder Aufzüge an Bahnstationen gar kein Thema sind. Wichtig zu sagen ist: In Philadelphia nutzt nahezu niemand die öffentlichen Verkehrsmittel. Das resultiert in sehr leeren U-Bahn-Stationen, ohne digitale Anzeigen, Ansagen oder genügend Sicherheitspersonal. In der Bahn selbst gibt es ebenfalls keine digitalen Anzeigen oder Durchsagen, es sitzt dafür in jedem zweiten Wagen eine Person, die an der Station aufsteht und diese dann ansagt. Gerade für eine Einzelperson ist es auf Grund der hohen Kriminalität in Philly eher unangenehm die Bahn zu nutzen, daher macht das hier eigentlich niemand, der nicht absolut darauf angewiesen ist. Für Strecken, die zu Fuß oder mit dem Rad nicht zu bewältigen sind, nutzt man hier eigentlich immer Uber. Ein großer Vorteil von Philly ist allerdings, dass die meisten Strecken sehr gut zu Fuß machbar sind, da die Sehenswürdigkeiten und alle anderen wichtigen Anlaufpunkte der Stadt nah beieinander liegen. Und ein Fakt, der die Münster-Herzen höherschlagen lässt: Philly ist eine echte Fahrrad-Stadt! Die Radwege sind hier gut ausgebaut und es gibt sogar ein Leihsystem, bei dem man sich Räder gegen eine Gebühr leihen kann und sie dann an den über die Stadt verteilten Stationen wieder abgeben kann. Sollte man sich allerdings für die Investition in ein eigenes Fahrrad entschieden haben: Ein gutes Schloss ist hier sehr wichtig, aber das kennen wir ja aus Münster. Vor einigen Tagen konnte ich noch beobachten, wie abends auf der Veranda zu dem Haus, in dem ich wohne, versucht wurde ein Fahrrad zu klauen. Hier interessiert es auch nicht, dass ich direkt an dem Geschehen vorbeigelaufen bin, um ins Haus zu gelangen.
Da ich Kriminalität jetzt schon erwähnt habe möchte ich zumindest einmal kurz auf diesen Aspekt eingehen, ohne hier zu schlechte Stimmung zu verbreiten. Wenn man sich online die Rankings der kriminellsten und gefährlichsten Städte in den USA anschaut, liegt Philly ganz weit vorne. Die Quote der obdachlos lebenden Personen ist hier ebenfalls sehr hoch. Mir war das Ausmaß dessen nur begrenzt bewusst. In einem Gespräch mit meiner Visa Koordinatorin kurz vor meiner Ankunft, hat sie mir eindringlich von einigen Stadtvierteln abgeraten und ich erinnere mich noch sehr gut, wie ich mir dachte: „Okay, so schlimm wird das schon nicht sein“. Als ich dann hier an meinem dritten Tag im Uber saß und im Radio seelenruhig, als würde vom Wetter gesprochen, von den Schussopfern der letzten Nacht berichtet wurde (es waren sechs Personen), wurde mir klar, dass sie wohl nicht übertrieben hat. Noch klarer wurde mir das, als ich meinen E-Mail-Account aktiviert habe und seitdem in regelmäßigen Abständen Mails kommen wie: „UPennAlert: SHOTS FIRED at 3900 BLOCK WALNUT ST. Use caution, police on scene, avoid area.“ (Zur Einordnung: 39th Walnut liegt genau auf meinem täglichen Fußweg nach Hause). Man sollte hier also definitiv auf sich achten und Nachts alleine längere Fußwege meiden.
Aber, um diesen Absatz noch positiv zu beenden: Philadelphia ist natürlich nicht Münster, dennoch man muss auch keine Angst vor der Stadt haben und findet hier viele schöne Ecken, von denen ich auch noch berichten werde. Mein persönlicher Favorit ist die Umgebung rund um den Rittenhouse Park. Hier findet jeden Samstag ein kleiner Markt statt und es gibt viele kleinen Cafés, in denen man sich gut die Zeit vertreiben kann. Vor Allem für Museums-Liebhaber bietet die Stadt einiges. Durch ihren großen Einfluss in der US-amerikanischen Geschichte kann man hier ein Museum nach dem Anderen besuchen. Neben den Standard Touri-Spots wie dem Philadelphia Museum of Art mit den Rocky Steps, der Independence Hall und der Liberty Bell, hat mich die Aussichtsplattform im Rathaus am meisten begeistert. Mit einer kleinen Führung vorher, bekommt man hier einen beeindruckenden Blick auf die Stadt.
Einen weiteren Aspekt, den ich positiv hervorherben möchte, sind die Menschen hier. Alle sind super offen, freundlich und hilfsbereit, sodass ich mich immer wohlfühle und es leicht ist mit anderen Personen ins Gespräch zu kommen.
Abschließend möchte ich für diesen Beitrag sagen, dass es für mich persönlich eine Riesenmöglichkeit ist an der Penn in der Gruppe von Prof. Trauner arbeiten zu dürfen. Sowohl die Uni, als auch die Gruppe beeindrucken mich jeden Tag aufs Neue und ich kann jetzt schon sagen, dass ich durch diesen Aufenthalt unglaublich viel für meine Zukunft lerne, dazu dann aber im nächsten Beitrag mehr.
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