Unfassbar wie schnell acht Wochen umgehen können. Mittlerweile bin ich bereits wieder in Münster und Florianópolis lässt mich nicht los. In Floripa habe ich gelernt, dass es eine Art Sprichwort für den letzten Drink, den man in einer Bar bestellt, gibt. “A saideira“ sagt man, der letzte Drink oder auch die letzte Welle bis zum Strand. Als meinen „letzten Drink“ an Floripa, möchte ich das Praktikum hier noch einmal rekapitulieren und ein Fazit zu der Zeit in Brasilien ziehen.
Aus diesen acht Wochen Brasilien werde ich viel mitnehmen. Der Süden Brasiliens ist besonders durch Kolonisation europäischer Staaten geprägt. So bin ich immer wieder auf Menschen mit den verschiedensten Hintergründen gestoßen. Dies waren zum Beispiel Brasilianer mit deutschen Wurzeln, die plötzlich auch noch Deutsch sprachen, da sie schon einmal hier gelebt haben oder auch Brasilianer aus den alten italienischen Koloniegebieten des Südens. Dadurch entsteht ein bunter Mix aus verschiedenen Kulturen und es ist sehr schwer zu sagen, was eigentlich brasilianisch sein bedeutet. Je nachdem auf wen man trifft, kann das nämlich was ganz anderes bedeuten. So habe ich viel über den Kampf mit sich selbst und der eigenen nationalen Identität gelernt, ein Problem dem ich bisher noch nie begegnet bin. Zusätzlich konnte ich dadurch viel über verschiedene Facetten der brasilianischen Kultur aus verschiedenen Perspektiven lernen. Auf diesem Weg sind natürlich auch viele Freundschaften mit ganz einzigartigen Menschen entstanden. Da man auch gerne mal auf andere Austauschstudis traf, kamen dadurch ganz spannende Gruppendynamiken zusammen, in denen teilweise 4 bis 5 verschiedene Sprachen gleichzeitig gesprochen wurden (wie z.B. Portugiesisch, Spanisch, Deutsch, Englisch und Italienisch). Das war für mich der Wahnsinn und eine unfassbar tolle Erfahrung mit diesen Menschen zu kommunizieren und sich über kulturelle Unterschiede und ähnliche Interessen auszutauschen. Dadurch sind sowohl die Freunde außerhalb des Praktikums, als auch die Menschen der Arbeitsgruppe in der ich war, zu einer Art Familie für mich geworden. Besonders von der Arbeitsgruppe habe ich gelernt, meine zukünftige Karriere mit einer gewissen Leichtigkeit anzugehen und mich manchmal auch einfach mit dem Wind ins Ungewisse treiben zu lassen. Das war für mich sehr wichtig, da mich Gedanken zu meiner zukünftigen Karriere immer sehr unter Druck gesetzt haben. Gleichzeitig habe ich damit natürlich auch spannende Kontakte gefestigt die mir neue aufregende Möglichkeiten für zukünftige wissenschaftliche Arbeit eröffnen. Alles in allem nehme ich dadurch einen Drang zur Erkundung der Welt aus diesem Praktikum mit, der mich wundern lässt, wie unterschiedlich die Welt doch noch sein kann.
Vor Ort hat sich aber nicht nur meine Perspektive auf meine zukünftige Karriere verändert. Schon während des Sprachkurses in Münster, hat sich meine Perspektive auf Brasilien stark verändert. Am Anfang habe ich Brasilien als Land der Favela, dominiert von hoher Kriminalität und der Zerstörung des Amazonas, betrachtet. Aber schon während des Sprachkurses wurde mir eine ganz andere Seite Brasiliens gezeigt. Dort wurde mir ein Bild des lebensfrohen und zurückgelehnten Brasiliens vermittelt. Dieses Bild hat sich durch meinen Aufenthalt nur bestätigt und erweitert. Mittlerweile nehme ich Brasilien als sehr offenes und fröhliches Land wahr. Die Menschen die mir begegnet sind strahlten immer Leidenschaft, Lebensfreude, Interesse und hohe Gastfreundschaft aus. Dieses Bild zog sich durch den Großteil meiner Begegnungen. Dadurch sind mir das Land und die Menschen sehr ans Herz gewachsen. Es hat sich aber auch meine Perspektive auf die Wissenschaft geändert. Ich habe vor Ort erlebt, dass man keine großen finanziellen Mittel braucht, um gute Wissenschaft zu machen, dass dort wo finanzielle Mittel weichen, sich Kreativität und Einfallsreichtum durchsetzen. Dies hat mich sehr fasziniert und ist etwas, das ich in meine zukünftige Karriere tragen möchte. Gleichzeitig hat es die Arbeitsgruppe auch geschafft, mir die Angst vor der Doktorarbeit zu nehmen. Durch viele Gespräche mit Doktoranden, Post-Docs und Professoren, kann ich die Doktorarbeit nun als etwas ansehen, auf das ich mich freue.
Insgesamt war das Praktikum eine einzigartige Erfahrung. Es war eine unfassbar schöne Zeit in Florianópolis und ich habe mich zu jedem Zeitpunkt sehr wohl und willkommen gefühlt. Ich habe sehr viel über Kultur, Wissenschaft und das brasilianische akademische System gelernt. Der wissenschaftliche Austausch war toll und ich habe mich über jede neue Methode gefreut, die ich aus Gesprächen aufsaugen konnte. Ich möchte allen Menschen danken, die dieses Praktikum so einzigartig gemacht haben und noch einmal besonders bei der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Eduardo Giehl am Departamento de Ecologia e Zoologia der UFSC, welche mich wie einen Teil ihrer Familie aufgenommen hat und mich bei jedem Schritt des Praktikums bestens begleitet hat. Ich freue mich sehr darauf in Zukunft wieder in Florianopolis zu sein.
In diesem Sinne, vielen Dank fürs Lesen und ich hoffe ich konnte ein wenig meiner Euphorie für dieses Land auf euch übertragen.
Por fim, muito obrigado por sua atenção e até logo.
~ Mats
Zum Abschluss noch ein paar letzte Bilder aus der Zeit:
Brasilien – das klingt immer nach Abenteuer, unberührter Natur, traumhaften Stränden . Ich träume schon lange davon, dieses faszinierende Land zu bereisen. Doch so sehr mich die Sehnsucht nach Brasilien packt, genauso sehr macht mir die lange Anreise Kummer.
Alles, was länger als zwei Stunden dauert, bringt mich an meine Grenzen. Nach dieser Zeit werde ich auf einem Flug unruhig und zappelig. Der Gedanke, fast 12 Stunden eingezwängt in einem Flugzeugsitz zu verbringen, lässt meinen Enthusiasmus schnell abkühlen. Wie soll man da entspannt in den Urlaub starten?
Aber vielleicht muss ich mich einfach überwinden. Schließlich, so sagt man, liegt der wahre Reichtum oft am Ende der Komfortzone. Wer weiß, vielleicht werde ich am Ende mit unvergesslichen Momenten und einer Reise belohnt, die alle Strapazen übertrifft.