Praktikum beim Plymouth Crown Court (UK)

„Smile you’re on CCTV“. Mit diesen netten Worten werde ich im Bus von London Gatwick nach Plymouth begrüßt. Wer sich den Rat zu Herzen nimmt, wird in England kaum aufhören können zu grinsen, denn Überwachungskameras gibt es hier wirklich an jeder Ecke.

Tatsächlich lächeln die Leute in Plymouth sehr viel, was aber wohl eher daran liegt, dass man hier äußerst höflich miteinander umgeht. Plymouth ist in diesem Sommer für zwei Monate meine Wahlheimat. Hier absolviere ich nun schon seit vier Wochen ein Praktikum beim Plymouth Crown Court, einem englischen Gericht für Strafsachen.

Blick auf Plymouth
Blick auf Plymouth

Die Stadt ist etwa so groß wie Münster und liegt an der Südküste Englands gleich an der Grenze zu Cornwall. Im Jahr 1620 brachen die Pilgerväter von hier nach Amerika auf. Heute beherbergt Plymouth den größten Marienehafen Westeuropas.

Plymouth selbst ist nicht gerade umwerfend schön. Zwar gibt es einige Sehenswürdigkeiten, wie das National Marine Aquarium oder die Barbican genannte Altstadt, allerdings ist die Liste der wirklich sehenswerten Orte schnell erschöpft. Die Gegend um Plymouth herum ist dafür umso schöner. Entlang der Küste gibt es zahlreiche urige Fischerdörfer und wunderschöne Strände, die einen Besuch wirklich wert sind. Besonders empfehlen kann ich den Strand von Porthcurno. Nördlich an Plymouth grenzt ein riesiges Naturschutzgebiet an: der Dartmoor National Park. Wer die Möglichkeit hat, dem kann ich nur empfehlen dort wandern zu gehen. Die Landschaft ist einzigartig und überall trifft man auf freilebende Pferde und Schafe. Die meisten Orte kann man einfach und günstig mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichen. Beispielsweise kann man per Zug für 10£ einen Tag lang durch ganz Cornwall reisen.

Eindruck aus dem Dart Moor National Park
Eindruck aus dem Dart Moor National Park

Bisher hatte ich hier auch wirklich Glück mit dem Wetter. In den ersten beiden Wochen schien die Sonne fast jeden Tag, was laut den Einheimischen aber eher ungewöhnlich ist. Grundsätzlich sollte man sich also auf viel Regen einstellen, was einem münsteraner Studenten wohl nicht allzu schwer fallen dürfte. Viel gewöhnungsbedürftiger finde ich persönlich das englische Essen. Zum einen sind die Lebensmittelpreise hier doch spürbar höher als in Deutschland, zum anderen sind die Essgewohnheiten der Engländer sehr … speziell. Ketchup und Mayo kommen hier auf die Pizza, Essig auf die Pommes und manchmal scheint mir, der Engländer rührt nichts an, was nicht in eine dicke Teigschicht eingepackt ist. Neben Fish and Chips gibt es an jeder Ecke sogenannte Pasties, eine lokale Spezialität. Dabei handelt es sich um eine Blätterteigtasche die wahlweise mit Käse, Fleisch und/oder Gemüse befüllt wird. Wirklich deftiges Essen findet man hier eher selten. Mittags isst man meist nur belegte Sandwiches. Dunkles Brot sucht man in Supermärkten vergebens. Das Ganze spült der Engländer (gern auch schon um 12 Uhr mittags) mit einem pint (=568 mL) Bier herunter. Eine Schaumkrone wird man in diesem Teil Englands nicht auf seinem Bier finden. Diese Eigenart erklärte mir ein Einheimischer mit den Worten: „We pay for the beer, not for the froth.“

Trotz dieser kulinarischen Defizite fühle ich mich hier überaus wohl. Das liegt hauptsächlich daran, dass die Menschen in Plymouth wirklich extrem offen und freundlich sind. Im Gericht haben alle stets Zeit für ein kurzes Schwätzchen und jeder ist hilfsbereit und bemüht, mein Praktikum so interessant wie möglich zu gestalten. Auch außerhalb des Gerichts sind die Leute stets sehr offen und freundlich. Sobald sie merken, dass man Ausländer ist, zeigen sie sich meist besonders hilfsbereit und stellen interessiert Fragen über Deutschland oder sind neugierig wie einem England gefällt. Auch abends gibt es hier dank unzähliger Pubs und verschiedener Clubs immer etwas zu tun.

Und wenn man nachts nach mehreren pints Ale oder Cider langsam entlang der Kamera-Alleen nach Hause schlurft, breitet sich auch stets ein wohliges Gefühl von Sicherheit in einem aus. Denn der Große Bruder passt ja auf einen auf.

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