Ganze 107 Tage sind vergangen, seitdem ich für mein Auslandspraktikum Deutschland verlassen habe. Gelandet bin ich hier, an der All Hallows Preparatory School im ländlichen Somerset:
In dieser Zeit lebte und arbeitete ich auf dem Schulgelände und wurde so schnell Teil einer starken Schulgemeinschaft. Auch wenn es vermutlich etwas kitschig klingt, kann ich wirklich behaupten, hier ein zweites Zuhause gefunden zu haben. Ich kenne mittlerweile die Namen aller Kollegen (klingt einfacher als es war, besonders mit Vor- und Nachnamen!) und die fast aller Schüler, von Nursery bis Year 8. Durch das Zusammenleben habe ich natürlich ganz besonders zu den boarders und dem boarding staff eine enge Beziehung aufgebaut – es wundert mich also nicht, dass es mir heute am letzten Schultag echt schwer fällt, von der gesamten Schule Abschied zu nehmen.
Besonders die Kinder machen es mir aber auch nicht leicht. In den letzten Tagen musste ich ihnen immer und immer wieder erklären, warum ich denn nicht im nächsten Jahr wiederkommen kann. Meistens antworte ich dann, dass ich zurück zur Uni muss, um später als Lehrerin in Deutschland deutschen Kindern Englisch beibringen zu können. Das überzeugt zwar einen Großteil der Seniors, nicht aber die Juniors. In ihren Augen bin ich nämlich hier schon Lehrerin und könnte doch einfach für immer in England bleiben, das wäre doch so viel einfacher als in Deutschland erstmal zu Ende studieren zu müssen. Gegen diese messerscharfe Logik zu argumentieren ist natürlich unmöglich, weshalb ich dann ganz tief in die Trickkiste greife und den Kindern ein Foto von meinen zwei Hunden zeige, die zuhause in Deutschland sehnsüchtig auf mich warten. Das konnte bisher noch jedes Kind nachvollziehen. Problem gelöst.
Natürlich freue ich mich sehr darüber, dass meine Arbeit hier von den Kindern, aber auch von den Kollegen geschätzt wird. Das wurde nicht nur durch zahlreiche nette Worte, sondern auch Abschiedsgeschenke, Zeichnungen und Weihnachtskarten zum Ausdruck gebracht (einige essbare Geschenke fehlen leider bereits auf den Bildern):
Nun aber genug der Abschiedsworte, denn dieser Beitrag soll wie im Titel versprochen natürlich auch die Vorweihnachtszeit hier am Internat thematisieren und dann ein abschließendes Gesamtfazit geben.
Weihnachten wurde hier in der letzten Schulwoche wirklich ausgiebig zelebriert, sowohl während der Schulzeit als auch im boarding house. Am Sonntag wurde nach einer gemeinsamen Runde Schlittschuhlaufen in Bath ein Wettbewerb zwischen den Jungen und Mädchen ausgetragen. Ziel war es, die eigene Etage im boarding house innerhalb einer Stunde weihnachtlich zu dekorieren. Drei Mal dürft ihr raten, wer nach tagelangem Basteln diesen Wettbewerb unter einstimmigem Juryurteil gewonnen hat. Am Montagabend stand dann das große Weihnachtsessen für boarders und boarding staff an, definitiv eines meiner Highlights des gesamten Praktikums. Dabei wurde ich in alle wichtigen englischen Weihnachtstraditionen eingeführt und verbrachte den Abend folglich im Weihnachtspulli und mit einer Papierkrone auf dem Kopf, die unverzichtbarer Bestandteil des englischen Christmas crackers ist. Nach dem von unserem Küchenteam liebevoll zubereiteten Drei-Gänge-Menü versammelten wir uns alle auf den Treppenstufen, um vorm Kamin gemeinsam Weihnachtslieder zu singen. Das klang unter anderem so:
Wie man hoffentlich heraushört, waren spätestens zu diesem Zeitpunkt wirklich alle in ausgelassener Weihnachtsstimmung. Abgerundet wurde der Abend schließlich durch die Übergabe der Wichtelgeschenke in stockings unterm Weihnachtsbaum – ein wirklich schöner und rundum gelungener Abend.
Im Laufe der Schulwoche folgten weitere Christmas Lunches in verschiedenen Konstellationen, verschiedenste Weihnachtsbastel- und Backaktivitäten, der Christmas Jumper Day, das zuckersüße von den Jahrgangsstufen Nursery-Year 2 aufgeführte Nativity Play, der Junior Carol Service, der Senior Carol Service und natürlich die Weihnachtsparty der Lehrer.
Insgesamt war diese Woche ein wirklich schöner Abschluss eines wirklich schönen und lehrreichen Praktikums. Ich bin so sehr in Weihnachtsstimmung wie vermutlich noch nie zuvor und freue mich jetzt natürlich sehr darauf, passend zu Weihnachten wieder zu Hause zu sein.
Wenn ich auf meine Zeit hier zurückblicke, kann ich behaupten, Teil einer Schule geworden zu sein, die sich sicherlich ganz wesentlich von allen anderen Schulen unterscheidet, die ich bisher als Schülerin und auch Praktikantin kennengelernt habe. Nirgends habe ich ein so engagiertes und leidenschaftliches Kollegium wie an der All Hallows Preparatory School erlebt, das durch regelmäßige Besprechungen als wahres Team agiert und den Schülerinnen und Schülern so einen hohen Grad an festen Strukturen ermöglicht, z. B. durch einheitliche Unterrichtsabläufe und Korrekturschemata. Durch die kleinen Klassen von lediglich zehn bis zwölf Schülerinnen und Schülern ist eine sehr individuelle Förderung möglich, sodass in dem von mir erlebten Unterricht immer parallel auf verschiedenen Schwierigkeitsniveaus gearbeitet wurde. Obwohl nur ein Bruchteil aller Schülerinnen und Schüler auf dem Schulgelände lebt, wirkt sich der Internatscharakter auf das gesamte Schulleben aus. Der Schultag endet nicht mit dem Unterrichtsende am Nachmittag, da alle Schüler ab der Jahrgangsstufe fünf für verschiedenste Nachmittagsaktivitäten an der Schule bleiben und anschließend abends gemeinsam ihre Hausaufgaben in der Schule erledigen. Sogar samstags findet Pflichtunterricht statt. Damit bestimmt die Schule den Alltag der Schülerinnen und Schüler sowie auch Lehrerinnen und Lehrer sehr deutlich und bekommt, meinem Eindruck nach, einen viel höheren Stellenwert in ihrem Leben.
Vor dem Praktikum hoffte ich, während meiner Zeit in England vollständig in die englische Sprache und britische Kultur eintauchen zu können und bewarb mich daher ganz bewusst an einer Schule, die kein Deutsch unterrichtet. Ich verbrachte somit schließlich fünfzehn Wochen, in denen ich ausschließlich auf Englisch kommunizierte und lernte durch das Internatsleben britische Essgewohnheiten, Lebensgewohnheiten, Sportarten, Musik, Filme und nicht zuletzt auch Weihnachtstraditionen kennen. Darüber hinaus führte ich spannende Gespräche über die Heimatkulturen der Internatsschüler aus Japan, Hong Kong, Spanien, Frankreich, Portugal und Zimbabwe und konnte so sogar noch Einblicke in weitere Kulturräume erhalten. Das hat in mir die Lust geweckt, in einem späteren Praktikum neben dem britischen einen zweiten anglophonen Kulturraum und damit ein neues Schulsystem erleben und so hoffentlich meinen Blick auf Schule und den Lehrberuf in Deutschland noch weiter zu öffnen.
Ich kann daher allen Englischstudierenden, die auf der Suche nach einem Praktikumsplatz sind, nur empfehlen, sich an englischen Prep Schools als „Gap Student“ zu bewerben. Die Suche nach einer Unterkunft fällt weg, man braucht sich nicht um seine Verpflegung zu kümmern und gerät durch die anderen auf dem Schulgelände lebenden Mitarbeiter nie in Gefahr, sich im Ausland komplett alleine zu fühlen. Allerdings sollte man sich auch bewusst sein, dass man in dieser Rolle kein klassischer beobachtender Schulpraktikant ist, sondern tatsächlich einen Job mit eigenen Aufgaben hat. Da die Schule hier durch die Internatsschüler nie endet, arbeitet man auch morgens, abends und am Wochenende und ist somit insgesamt sehr eingespannt, gerade wenn man wie ich „nebenbei“ auch noch möglichst viel im Unterricht mithelfen möchte. Aber man hat eben auch die Chance, Einblick in wahnsinnig viele verschiedene Bereiche der Schule zu gewinnen, was mein Praktikum sehr spannend und abwechslungsreich gemacht hat. Dass ich einmal Hockey- und Schwimmtraining geben würde, hätte ich vorher wohl auch nicht gedacht.
Und damit kommt mein Blog, der zugegebenermaßen früher hätte beginnen sollen, auch schon an sein Ende. Ich hoffe, dass ein paar von Euch meine beiden Beiträge interessant und irgendwie auf welche Weise auch immer hilfreich fanden, wünsche Euch eine schöne Weihnachtszeit und ganz viel Erfolg bei Euren Auslandsaufenthalten!
Lara x
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