Es läuft meine sechsundzwanzigste (und letzte) Woche in Nizza. Da ich ein echtes Fazit erst ziehen kann, wenn ich wieder zurück in Münster bin, verfasse ich hier nun meinen letzten Beitrag vor Ort und versuche, ein wenig auf die Zeit zurückzublicken. Ein halbes Jahr lebe ich nun schon an der Côte d’Azur, einer klassischen Urlaubsregion – es hat mir sehr gut gefallen, auch wenn ich mich nie so zu hundert Prozent zu Hause gefühlt habe, eben weil das durchweg gute Wetter, das Meer und die vielen Touristen immer den Eindruck von Urlaub vermittelt haben. Früher habe ich davon geträumt, dort zu wohnen, wo andere Urlaub machen. Inzwischen freue ich mich wieder auf das normale, geordnete Leben, den Uni-Alltag und den berühmt berüchtigten Münsteraner Regen.
Besonders schön waren die ersten Wochen, als ich aus dem kalten Deutschland in angenehmen 15-20 Grad gelandet bin, bei überwiegend gutem Wetter (perfekte Bedingungen zum Joggen), als noch alles neu war und ich das alles in Ruhe kennenlernen konnte, ohne mich durch Touristenmassen drängeln zu müssen. Mein persönliches Highlight war am ersten Wochenende ein Ausflug in die Calanques de Marseille, wo wir ab Cassis einem Wanderweg entlang der Küste folgten, mit wunderschönen Einbuchtungen und traumhaften Ausblicken auf das Meer. Trotz der gemäßigten Temperaturen sprang ich an dem Tag das erste Mal ins Mittelmeer, um danach wieder meine Winterjacke anzuziehen und eine Mütze aufzusetzen.
Nicht mehr ganz so frisch war es abends während der Filmfestspiele in Cannes, wo wir schließlich einen kleinen Strandabschnitt fanden, wo keine Party stattfand, sodass wir inmitten der guten, lockeren und zugleich feinen (“versnobten”) Stimmung des Festivals ein kleines Mitternachtsbad nahmen. Nachher fanden wir heraus, dass dies eigentlich verboten ist, aber es ist auf jeden Fall auch eine tolle Erfahrung, die ganz besondere Atmosphäre der Stadt in sich aufzusaugen, wie man sie tatsächlich nur während der zehn Tage im Mai erleben kann, und einfach an den Strand zu gehen, während die (Möchtegern-) Stars oben an der Promenade dekadent dinieren und genüsslich ihren Champagner schlürfen.
Champagner zu schlürfen konnte ich mir leider selbst als Erasmus-geförderter deutscher Student nicht leisten, aber dennoch verdient die französische Küche, die sich hier in Nizza, das erst seit gut 150 Jahren zu Frankreich gehört, mit der italienischen vermischt, eine besondere Erwähnung. Ein gutes Baguette kann man hier fast überall finden, ebenso Croissants und Crêpes (salzig und süß). Nudeln und Pizza schmecken hier auch mindestens genauso gut wie in Italien – also das wird mir wahrscheinlich schon ein bisschen fehlen.
Fehlen wird mir sicherlich auch die Art der Franzosen, ganz entspannt an der Supermarktkasse, wenn die Kassiererin sich in aller Ruhe mit ihren Kollegen unterhält, während zehn Leute an der Kasse anstehen, teilweise mit Scheck bezahlen, was immer etwas mehr Zeit braucht, weil ja alles korrekt eingetragen werden muss, naja, aber da wartet man offensichtlich gerne. Die andere (äußerst ungeduldige) Seite der Franzosen kann man im Straßenverkehr erleben, wo Fußgänger und Radfahrer nur kaum beachtet werden und wo jeder, der nicht sofort losfährt, wenn die Ampel auf Grün springt, mit einem Hupkonzert hinter sich zu rechnen hat.
Allerdings werde ich mich da wahrscheinlich auch erst einmal wieder dran gewöhnen müssen, dass man in Deutschland als Fußgänger nur die Straße überquert, wenn Grün ist, und nicht wenn gerade zufällig kein Auto kommt. Die Wetteraussichten sind zum Glück im Moment für NRW ziemlich gut, sodass ich am Samstag bedenkenlos in T-Shirt und kurzer Hose das Flugzeug besteigen kann. Ich hatte eine tolle Zeit hier unten und habe es als willkommene Abwechslung zum Uni-Alltag genossen, einfach mal über den Tellerrand zu schauen, eine der schönsten Ecken Frankreichs zu sehen und meine Sprachkenntnisse aufzubessern. Und so sehr ich mich wieder auf “zu Hause” freue, so blicke ich doch dankbar auf dieses halbe Jahr zurück, auf schöne und weniger schöne Erlebnisse, aber vor allem auf viele tolle Begegnungen, die nicht nur die Abwesenheit von Münster erträglich gemacht, sondern mein Leben hier bereichert haben.
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