Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen seines Wohlgefallens
Fotos
Den Menschen „ein Wohlgefallen“? Oder den Menschen „seines Wohlgefallens“? Ein kleines „s“ kann manchmal einen großen Unterschied machen, wie in den diesjährigen Weihnachtsausstellung „Jesu Geburt“ des Bibelmuseums bis zum 4. Februar 2024 zu sehen ist. Das bekannte Zitat aus dem Lukasevangelium wurde jahrhundertelang verfälscht verwendet, weil in vielen griechischen Handschriften besagter Buchstabe fehlte und so die Grammatik entscheidend verändert wurde. In einer griechischen Handschrift aus dem 12. Jahrhundert entdeckten die Wissenschaftler*innen des Instituts für Neutestamentliche Textforschung (INTF), dass nachträglich das „s“ ausradiert wurde. Die ursprüngliche Fassung „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen seines Wohlgefallens“ gibt infolge der Entscheidung des INTF auch die revidierte Lutherbibel von 2017 wieder. Die Handschrift ist Teil einer Ausstellung, die die Weihnachtsgeschichte und ihre Interpretationen in einen wissenschaftlichen Zusammenhang einbettet.
Anhand einer Tontafel, eines Steins vom Turmbau zu Babel und griechischen Handschriften wird beispielsweise die Entstehung der Bibel beleuchtet. Von dem ersten gedruckten griechischen Neuen Testament, dem „Novum Instrumentum Omne“ von Erasmus von Rotterdam aus dem Jahr 1516 bis zur neuesten Ausgabe der vorrangig in Münster entstandenen Ausgabe der „Editio Critica Maior“ von 2021 werden die Stationen der Geschichte der Textforschung am Neuen Testament gezeigt. Sie machen deutlich, dass es sich bei der Bibel und damit bei der Weihnachtsgeschichte um ein von Menschen verfasstes Werk handelt, das immer neuen Interpretationen und Veränderungen unterliegt. Martin Luther war Anfang des 16. Jahrhundert der erste, der auf Grundlage des griechischen Texts eine deutsche, für alle verständliche Übersetzung des Neuen Testaments erstellte. Doch bereits vor Luther gab es die Bibel auf deutsch. So kann in der Ausstellung auch das älteste bekannte Bibelfragment auf deutsch aus dem 14. Jahrhundert betrachtet werden.
Jede*r sollte überprüfen können, inwieweit die von der Kirche vertretenen Glaubensgrundsätze auf den Worten der Bibel beruhte. Zum Beispiel der verbreitete Ablasshandel, bei dem man sich gegen Bares von den zeitlichen Sündenstrafen und dem damit verbundenen Gang in Fegefeuer loskaufen konnte. Luthers Zweifel an dieser Praktik führten zur Reformation, zur Gründung der protestantischen Kirche und zu kriegerischen Auseinanderauseinandersetzungen wie dem Dreißigjährigen Krieg. Darum liegt auf dem Ablasshandel ein Schwerpunkt der diesjährigen Weihnachtsausstellung. Zu sehen sind zwei ganz neue Exponate, ein so genanntes Ablassprivileg von 1496, mit dem die Einziehung von Ablassgeldern genehmigt wurde, und ein moderner Ablassbrief aus den 1950er Jahren.
Mit der Weihnachten im engeren Sinne beschäftigen sich drei Themenbereiche der Ausstellung. Bilder aus verschiedenen Bibeln, zum Beispiel die von Matthäus Merian illustrierte „Icones Biblicae“ von 1625, eine Ikone aus dem 18. Jahrhundert und der Comic „Helden der Bibel“ aus dem Jahr 2016 zeigen, wie sich die Vorstellung vom Geschehen rund um Jesu Geburt verändert hat.
Viele heute liebgewonnene Traditionen wie Adventskalender und Adventskranz oder Weihnachtsbaum sind trotz zunehmender Säkularisierung fester Bestandteil des Weihnachtsfestes. Die beiden ersteren haben übrigens denselben Schöpfer, nämlich den evangelischen Theologen und Sozialreformer Johann Hinrich Wichern, der für die Jungen in seinem Hamburger Waisenhaus einen großen Kranz mit 24 Kerzen aufstellte, um ihnen die Wartezeit zu verkürzen.
Nicht zu kurz kommt auch der musikalische Aspekt von Weihnachten mit Bildern und Exponaten zu Luther als Komponist so bekannter Weihnachtslieder wie „Vom Himmel hoch da komm ich her“, Paul Gerhardt, dem wichtigsten deutschsprachigen Kirchenlieddichter und eher volkstümlichen Weihnachtsliedern wie „Oh Du fröhliche“. Zwei Messbücher aus dem 15. und 21. Jahrhundert ergänzen diesen Themenbereich.
Ein umfangreiches Programm für Kinder und öffentliche Führungen an jedem Sonntag um 15 Uhr vertiefen und verknüpfen die Eindrücke, die die Exponate vermitteln. So steht eine Playmobil-Krippe nicht für sich, sondern wird von einem Druck der so genannten „Schmalkaldischen Artikel“ Luthers von 1537 flankiert. In ihnen wendet sich der Reformator unter anderem gegen die Heiligenverehrung der katholischen Kirche und damit auch gegen die „Heiligen drei Könige“, die wohl eher „Weise aus dem Morgenland“ waren. Neben den sonntäglichen Führungen können auch individuelle Führungen kostenlos unter bibelmuseum@uni-muenster.de oder 0251 83-22580 kostenlos gebucht werden.