„Es ist wie eine richtig gute Achterbahnfahrt!“
Bereits in der neunten Klasse wurde ihre Faszination für die Elektrochemie geweckt, die bis heute anhält: Als Mutter einer dreijährigen Tochter berichtet die gebürtige Puerto-Ricanerin Nella Vargas-Barbosa im Interview, was sie zu ihrer Wissenschaftskarriere bewogen hat, wie ihr die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gelingt und was Forschung in der Chemie mit einer Achterbahnfahrt gemeinsam hat.
Chemie ist ein vielfältiges Forschungsgebiet. Was hat Sie dazu bewogen, eine Karriere in diese Wissenschaftsrichtung einzuschlagen?
Nella Vargas-Barbosa: Ich hatte die Möglichkeit, in der neunten Klasse an einem Summer Camp an der University of Puerto Rico teilzunehmen und elektrochemische Versuche durchzuführen. Gefördert wurde das Nanotechnologie Camp von der Weltraumfahrtbehörde NASA und der US-amerikanischen National Science Foundation (NSF). Dort bin ich das erste Mal mit Chemie in Berührung gekommen und durfte direkt an einem Rasterkraftmikroskop und an Brennstoffzellen arbeiten. Das hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht! Wir wurden von einigen Doktorandinnen betreut und mir war direkt klar: Sowas will ich später auch machen!
Woran forschen Sie aktuell mit Ihrer Nachwuchsforschungsgruppe am Helmholtz-Institut Münster (HI MS)?
Nella Vargas-Barbosa: Als Elektrochemikerin untersuche ich Grenzflächen in Batteriezellen, speziell in Festkörperbatterien, und den dort stattfindenden Ladungstransfer. Die Grenzflächen spielen in der Energiespeicherung eine wichtige Rolle und bieten spannende Ansätze, um Batteriezellen weiter zu verbessern.
Die Nachwuchsforschungsgruppe am HI MS baue ich gerade auf, der erste Promovend, Henry Woolley aus Großbritannien, startet im Dezember über die internationale Graduiertenschule BACCARA. Im Frühjahr 2021 kommt ein weiterer Student aus Italien dazu. Weitere Bachelor- und Masterstudierende werden folgen. Das HI MS bietet uns dabei ein Umfeld mit einer faszinierenden Mischung aus Menschen mit vielfältigen Forschungsperspektiven: Theoretische und experimentelle Ansätze werden verknüpft, um komplexe Fragen zu beantworten.
Was begeistert Sie besonders an Ihrer Arbeit?
Nella Vargas-Barbosa: Die Zusammenhänge zu verstehen und Fragen beantworten zu können, gerade dann, wenn es herausfordernd wird. Forschung in der Chemie ist für mich da wie eine richtig gute Achterbahnfahrt: Du hast Höhen und Tiefen, Spannung und Erleichterung, Spaß und Anstrengung – es ist alles dabei!
Als Mutter einer kleinen Tochter: Was ist aus Ihrer Sicht wichtig, um Familie und eine Karriere in der Wissenschaft erfolgreich zu vereinen?
Nella Vargas-Barbosa: Zunächst strukturelle Unterstützung: Ausreichende Betreuungsmöglichkeiten, auch schon für die Kleinsten, idealerweise dicht am Arbeitsplatz. Genauso die Berücksichtigung ganz praktischer Dinge wie Wickeltische oder Stillmöglichkeiten in Bürogebäuden. Mindestens ebenso wichtig ist ein gutes eigenes Betreuungsnetzwerk durch den*die Partner*in, Familie und Freunde. Bei uns hat sich ein digitaler Kalender sehr bewährt, mit dem wir unsere Arbeit und die Betreuung unserer Tochter koordinieren.
Welche Ratschläge geben Sie jungen Wissenschaftler*innen, die sich für eine Karriere in der Chemie entscheiden?
Nella Vargas-Barbosa: Seid resilient, also widerstandsfähig, wenn ihr Ziele verfolgt und gebt euch gleichzeitig immer wieder genug Zeit für Reflektion. Wenn bei mir ein Experiment scheitert, höre ich auf, gehe nach Hause und gönne mir eine Pause. So kann ich nachdenken und dann noch einmal neu ansetzen, das hat bisher immer geholfen!
Dr. Nella Vargas-Barbosa untersucht mit ihrer Nachwuchsforschergruppe am HI MS Grenzflächen-Phänomene in Festkörperbatterien.