Universität gibt Marmorkopf ungeklärter Provenienz zurück

Rektor Prof. Johannes Wessels und Museumsdirektor Prof. Achim Lichtenberger übergaben Fundstück in Thessaloniki

Fotos

Großer Bahnhof für einen kleinen Marmorkopf in Thessaloniki
Großer Bahnhof für einen kleinen Marmorkopf in Thessaloniki
© Archäologisches Museum Münster
  • Kurator Dr. Torben Schreiber und Dr. Helge Nieswandt mit den letzten Handgriffen, bevor der Marmorkopf nach Griechenland fliegt
    © Archäologisches Museum Münster
  • Kurator Dr. Torben Schreiber packt den Kopf vorsichtig ein.
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  • Alles heil geblieben: Dr. H.-Helge Nieswandt inspiziert den Kopf nach der Ankunft im Archäologischen Museum Thessaloniki.
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  • Museumsdirektorin Dr. Anastasia Gadolou zeigt Prof. Achim Lichetnberger den neuen Aufstellungsort.
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  • Prof. Achim Lichtenberger und seine griechische Kollegin Dr. Anastasia Gadolou bei der Unterzeichnung des Rückgabeprotokolls
    © Archäologisches Museum Münster
  • Rektor Prof. Johannes Wessels in Thessaloniki
    © Archäologisches Museum Münster

"Für mich als Leiter einer Universitätssammlung ist es ein wenig schmerzlich, dass ein so spannendes Objekt unsere Sammlung verlässt. Aber für mich als Archäologe ist es ein freudiger Tag, dass dieses Marmorporträt an seinen Ursprungsort zurückkehrt und zusammen mit anderen Stücken aus denselben Werkstätten in seinem ursprünglichen historischen Kontext wieder betrachtet und untersucht werden kann", sagte Prof. Achim Lichtenberger, Direktor des Archäologischen Museums der Universität Münster, heute (19. November) bei der Übergabe eines römischen Porträtkopfes an das Archäologische Museum in Thessaloniki. Dieser hatte unter ungeklärten Umständen seinen Weg nach Münster gefunden – für Uni-Rektor Prof. Johannes Wessels der Grund, das marmorne Stück nun an den griechischen Staat zurück zu geben.                                              

Dem Archäologischen Museum wurde der Kopf 1989 aus Essener Privatbesitz übereignet, aber es bleibt ein Rätsel, wie die Stifter an das antike Stück kamen und wer es wann vom ursprünglichen Aufstellungsort entfernte. "Leider müssen wir immer wieder feststellen, dass einige Objekte auf Wegen ins Museum gekommen sind, auf denen sie nach ethischen Maßstäben und gemäß dem rechtlichen Rahmen der UNESCO-Konvention von 1970 nicht hätten erworben werden dürfen. Als Institution, die sich nicht nur der Forschung, sondern auch der verantwortungsvollen Ausbildung künftiger Archäologengenerationen verpflichtet fühlt, überprüfen wir kontinuierlich unsere Bestände", erläuterte Prof. Lichtenberger den griechischen Kollegen, darunter Museumsdirektorin Dr. Anastasia Gadolou und Kulturministerin Lina Mendonis.

Die Restitution, das heißt, die Rückgabe von Kunstgegenständen, die unrechtmäßig erworben wurden, wird seit einigen Jahren verstärkt von Museen, Bibliotheken und anderen Institutionen betrieben. Stand seit 1998 zunächst die Raubkunst, die während des Nationalsozialismus erbeutet wurde, im Fokus, wird jetzt auch die Herkunft von Stücken aus kolonialen Kontexten erforscht. In den Anfangsjahren der Archäologie im 19. Jahrundert gab es in den Ursprungsländern zwar bereits Gesetze, die den Antikenhandel verboten, doch wurden diese oft nicht beachtet. Illegale Raubgrabungen zerstörten unwiederbringlich Kulturgut bei der Suche nach wertvollen Objekten. Demzufolge gelangten immer wieder antike Artefakte in den Kunsthandel.

Bereits 2019 hatte das Archäologische Museum Münster nach selbst initiierten Recherchen einen antiken Marmorkopf aus Fondi (117 Kilometer südöstlich von Rom) an den italienischen Staat zurückgegeben, weil eine unrechtmäßige Ausfuhr nachgewiesen werden konnte. Und auch im Fall des griechischen Kopfes, der zweifelsfrei aus einem Grabrelief herausgelöst wurde, ist nicht klar, wie er auf den Kunstmarkt gelangte. Bislang wurde er in der Fachliteratur nicht erwähnt, nun haben Prof. Lichtenberger und Dr. H.-Helge Nieswandt vom Archäologischen Museum sowie Prof. Laura Stutenbecker und Prof. David De Vleeschouwer vom Institut für Geologie und Paläontologie seine Herkunft genau bestimmt.

Die beiden Archäologen konnten anhand der Haartracht mit Sichellocken, der Ausarbeitung der Augen sowie des Mundes und der Rekonstruktion der heute fehlenden Nase eine charakteristische Übereinstimmung mit kaiserzeitlichen Grabreliefs in Thessaloniki festmachen. Sie erwägen, dass der Kopf um 150 nach Christus geschaffen wurde. Stutenbecker und Vleeschouwer untersuchten die Zusammensetzung des Marmors und verglichen sie mit Analysen, die im vergangenen Jahr an ausgewählten Marmorobjekten im Archäologischen Museum in Thessaloniki vorgenommen worden waren. Die Ergebnisse belegen, dass es sich einen dolomitischen Stein handelt, dessen Isotopenverbindungen auf eine Herkunft aus Steinbrüchen auf der Insel Thasos im Nordosten Griechenlands schließen lassen – von wo auch die Porträtköpfe stammen, die bereits im Archäologischen Museum in Thessaloniki aufbewahrt werden.

"Wir können den Schaden, der durch illegalen Kunsthandel und illegale Ausgrabungen entstanden ist, nicht ungeschehen machen, aber wir können zumindest tun, was in unserer Macht steht, um den Schaden zu begrenzen und das Bewusstsein für das Problem zu schärfen. Wir wollen auch Länder wie Griechenland moralisch unterstützen, die in der Vergangenheit geplündert wurden und sich um die Rückgabe ihrer Altertümer bemühen", so Prof. Lichtenberger.