Kunst für Alle
Kunstwerke waren viele Jahrhunderte exklusiv, nur Begüterte konnten es sich leisten, ihr Haus mit Gemälden und Skulpturen zu schmücken. Die Digitalisierung hat Kunst demokratischer gemacht. Einen radikal öffentlichen Zugang versucht der österreichische Künstler Oliver Laric, indem er ausgewählte archäologische Funde scannt, sie mit 3-D-Druckern reproduziert und die Daten kostenfrei jedermann im Internet zur Verfügung stellt. Sein auf diese Weise entstandenes Kunstwerk „Reclining Pan“ aus dem Jahr 2021 ist bis zum 30. Oktober 2023 im Archäologischen Museum zu sehen. Organisiert wurde die Sonderausstellung von der Kolleg-Forschungsgruppe „Zugang zu kulturellen Gütern im digitalen Wandel“ der Universität.
Der „Reclining Pan“ fügt sich ein in die Abgüsse antiker Statuen, Bildnisse und Reliefs des Museums, die seitdem 19. Jahrhundert einen unverzichtbaren Bestandteil der archäologischen Forschung und Lehre bilden. Im Kontext der Abgüsse, die in dreidimensionaler Reproduktion eine objektive Darstellung der Originalbildwerke vermitteln, verweist das Werk von Laric auf Kulturtechniken der Kopie, die schon mittels analoger Technologien darauf zielten, die bedeutendsten Werke antiker Bildhauerkunst an unterschiedlichen Orten parallel zugänglich zu machen.
Mit dem 3-D-Scan und -Druck holt der Künstler Skulpturen, die der Public Domain angehören, von ihrem Museumssockel herunter. Er befreit sie für jegliche Form der Nachnutzung. Die gemeinfreien Werke werden dank digitaler Technologien künstlerischen Neuinterpretationen zugeführt und durch die öffentliche Verfügbarkeit bereichert. Auch im juristischen Sinne werfen seine Kunstwerke Fragen auf, da sie die vom Urheberrecht gesetzten Grenzen der Werkkontrolle unterlaufen und Raum schaffen für immer neue Anverwandlungen, Aktualisierungen und dezentrale Zugänge.
„Reclining Pan“ bedient sich einer Skulptur von Francesco da Sangallo, einem italienischen Bildhauer der Renaissance, aus dem Jahr 1535. Die Arbeit zeigt Pan, ein Mischwesen aus Mensch und Ziegenbock, der in der griechischen Mythologie der Gott des Waldes und der Natur ist. Während des Drucks hat Laric unterschiedlichen Materialien und Farben wie Polyamid, Polyurethan und Pigmente eingefügt. Manche Sequenzen heben die Materialität der Figur hervor, während andere wiederum gläsern wirken oder die Reinheit des Marmors imitieren und dadurch Stofflichkeit verleugnen. So schließt sich der Kreis vom einzelnen Kunstwerk über die potenziell unendliche Vervielfältigung bis zur individuellen Aneignung.
Oliver Laric:
geboren 1981 in Innsbruck, lebt in Berlin
Ein zentrales Thema in Oliver Larics Werk ist seit 2006 die Untersuchung der Wechselwirkung zwischen dem Analogen und dem Digitalen. Angesichts der Allgegenwart von digitalen Reproduktionstechnologien hinterfragt er die Vorstellung von Einzigartigkeit und Authentizität durch das Schaffen digitaler Duplikate von Kunstwerken und historischen Skulpturen aus unterschiedlichen Epochen. Dies führt zu einer hybriden Ästhetik, die die Grenzen zwischen Kopie und Original verschwimmen lässt.3-D-Modelle aller seiner Skulpturen stehen online auf threedscans.com zum kostenlosen Download bereit.
Im Jahr 2021 wurde Oliver Laric mit dem RLB-Kunstpreis der Raiffeisen-Landesbank Tirol ausgezeichnet, der mit einer Einzelausstellung im Ferdinandeum (Innsbruck) verbunden war. Seine Werke wurden in Soloausstellungen weltweit gezeigt. Skulpturen von ihm befinden sich in öffentlichen Sammlungen wie dem MuMOK (Wien), der Sammlung Philara (Düsseldorf), dem Stedelijk Museum (Amsterdam), dem Institute of Contemporary Art (Boston), dem Cleveland Museum of Art, dem Walker Art Center (Minneapolis), der Fondation Galleries Lafayette (Paris) und der KAI 10 | Arthena Foundation (Düsseldorf).
Die Kolleg-Forschungsgruppe „Zugang zu kulturellen Gütern im digitalen Wandel“:
Der digitale Wandel hat die Bedingungen des Zugangs zu den Beständen von Archiven, Sammlungen und Museen, zu Werken der Kunst und zu Bildern, Texten und Klängen aller Art grundlegend verändert und wird auch künftig neue Weisen ihrer Produktion, Reproduktion und Rezeption bedingen. Die Kolleg-Forschungsgruppe erforscht die Chancen und Risiken der neuartigen Formen des Zugangs zu kulturellen Gütern, die der digitale Wandel ermöglicht. Ihr Arbeitsprinzip ist die intensive Kooperation mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland „Fellows“), die zu Forschungsaufenthalten nach Münster eingeladen werden.