Berufliches Mosaik
Als Matthias Schröder sich für ein Studium der Geschichte und Publizistik an der Universität Münster entschied, behielt er seine zweite große Leidenschaft, die Musik, kurzerhand bei. „Ich komme aus einem Musikerhaushalt“, berichtet der Historiker, in dessen Arbeitszimmer im Norden von Münster noch das Klavier seiner Großmutter steht. „Drei von fünf Geschwistern sind Musiker geworden.“ Zunächst erhielt er Unterricht am Klavier und an der Klarinette. Dann wurde an seiner Schule in Oberhausen ein Baritonsaxophonist gebraucht. Der Musikschuldirektor fragte den damals Zwölfjährigen, ob er sich einen Wechsel zu dem Instrument vorstellen könne. Matthias Schröder sagte zu. Auch später im Studium habe er die Freiheit genossen, weiterhin zu musizieren – unter anderem gründete er das „Pindakaas Saxophon Quartett“, das seit 1989 bis heute in der Originalbesetzung aktiv ist und durch Deutschland tourt.
In seiner universitären Abschlussarbeit ging es allerdings nicht um Musik, sondern um deutschbaltische SS-Offiziere und die Vlasov-Bewegung. Dazu forschte Matthias Schröder fünf Jahre lang in internationalen Archiven. Das Ergebnis trug er in sechs Ordnern zusammen, er fand „belastendes Material über schlimmste Kriegsverbrechen“. Sein Doktorvater am Historischen Seminar, Prof. Dr. Wolfgang Jacobmeyer, riet ihm wegen des Umfangs und der Bedeutung des Archivfunds, anstelle der Magisterarbeit direkt zu promovieren. Das ließ die Studienordnung seinerzeit noch zu.
Die Dissertation ist mittlerweile in der zweiten Auflage erschienen und steht in Matthias Schröders Arbeitszimmer neben der Fachliteratur aus dieser Zeit sowie vielen Notenausgaben und Musiklexika im Regal. „Während des Studiums habe ich weiterhin in Jazz- oder Salsa-Bands gespielt – und natürlich in unserem Quartett.“ Weil es zu der Zeit kaum Originalliteratur für die Besetzung mit vier Saxophonen gab, entstanden rasch eigene Arrangements von klassischen Werken. „Wir wollten spielen, was man von Saxophonen sonst nicht erwartet.“ Mittlerweile erscheinen die „Pindakaas“-Arrangements im Wiener Verlag Universal Edition, vor allem Werke von Kurt Weill und auch Junior-Editionen für Musikschulen.
An den Musikhochschulen Detmold und Münster unterrichtet Matthias Schröder das Fach Musikmanagement. „Dafür muss ich immer am Ball bleiben und neue Entwicklungen beobachten.“ Ein Beispiel ist der Fachkräftemangel. „Dass es wieder vermehrt Stellenausschreibungen für Musikschullehrer gibt, wie eine aktuelle Studie zeigt, hätte man noch vor zehn Jahren nicht gedacht.“ 30 bis 40 Prozent der Stellen in diesem Bereich müssten in der nächsten Zeit neu besetzt werden. „Viele Studierende, die sich auf ihre künstlerische Ausbildung konzentrieren, haben das Unterrichten als eine wichtige Einnahmequelle jedoch nicht im Blick.“
Insgesamt versteht der 55-Jährige seine Seminare eher als Coaching. „Ich zeige den Studierenden, wie sie später von der Musik leben können. Wir trainieren, wie man Gagen verhandelt und beschäftigen uns auch mit Steuern, Versicherungen und der Altersvorsorge. Viele Studierende arbeiten später freiberuflich. Wir besprechen also auch, wie man sich bei der Künstlersozialkasse anmeldet.“
Der Dozent benennt zudem die urheberrechtlichen und finanziellen Herausforderungen für Musiker, die ihre Werke streamen. Die Studierenden lernen darüber hinaus verschiedene Strategien kennen, um ihr Publikum zu erreichen, etwa mit einer Konzertdramaturgie. „Es reicht heute nicht mehr, bekannte oder beliebte Werke aneinanderzureihen“, unterstreicht Matthias Schröder. Er empfiehlt, den Konzerten einen interessanten roten Faden zu geben. In einem zweiten Schritt überlegen sich die Teilnehmer, wie man dieses Programm gut präsentiert und „verkauft“.
Für die Lehre schöpft Matthias Schröder auch aus seinen Erfahrungen als künstlerischer Leiter der Steinfurter Konzertgalerie Bagno. Er schwärmt sowohl von der guten Akustik und dem Ambiente als auch von der Geschichte des Saals. „Als das Bagno 1774 eröffnet wurde, basierte das auf einer neuen Idee: Jeder Bürger durfte die Musik hören, sofern er denn ordentlich gekleidet war“, erläutert der Historiker. Das Publikum nahm die Konzerte damals wie heute dankend an. Die Festwochen zum 250-jährigen Bestehen des Bagnos in diesem Sommer waren ruckzuck ausverkauft.
Bevor Matthias Schröder Chef der Konzertgalerie wurde, war er bereits 20 Jahre freiberuflich tätig – als Konzertveranstalter, Musiker, freier Kulturjournalist und CD-Produzent. 2016 erhielt er eine Professur an der Hochschule für Musik Detmold. Sein Fachgebiet Musikmanagement soll nun auch in Münster verstärkt werden, unter anderem mit dem Lehrauftrag, den er seit diesem Sommersemester innehat.
„Eigentlich habe ich drei bis vier Jobs, die sich permanent mischen. Alles findet parallel statt“, beschreibt Matthias Schröder seinen Alltag. „Während ich den Unterricht vorbereite – das mache ich sehr gründlich –, kann es sein, dass zwischendrin eine Schule anruft und unser Quartett für ein Kinderkonzert bucht.“ Er kennt das für viele Musiker übliche berufliche Mosaik aus eigener Anschauung. Oft arbeite er rund 50 Stunden pro Woche. Auf diese Weise habe er zwar weniger Freizeit. „Aber es macht eben auch unglaublich viel Spaß!“
Autorin: Brigitte Heeke
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 5, 17. Juli 2024.