„Ich würde mich als Architekt bezeichnen“
Klaus Rosenfelds (57) Rolle beim Auto- und Industriezulieferer Schaeffler reicht bis ins Jahr 2009 zurück. Damals wurde er Finanzvorstand und für seine Arbeit bei der Übernahme der Continental AG als Chief Financial Officer des Jahres ausgezeichnet. Seine Ernennung zum Vorstandsvorsitzenden jährt sich in diesem Jahr zum zehnten Mal. Im Interview mit Tim Zemlicka erinnert sich der gebürtige Bonner, der von 1989 bis 1993 an der Universität Münster Betriebs- und Volkswirtschaftslehre studiert hat, an seine Ausbildungs- und Studienzeit und seine Liebe zur Musik.
Schön, dass Sie die Zeit für ein Interview an einem Arbeitstag gefunden haben. Was hält der Tag heute noch für Sie bereit?
Heute steht die Vorbereitung der nächsten Vorstandssitzung und einer Vorstandsklausur an. Für mich ist es ein normaler Arbeitstag mit einem gewissen Zeitdruck, alles noch für die bevorstehenden Sitzungen fertigzustellen. Wir sind gerade in einem größeren Transaktions- und Integrationsprozess. In einer solchen Phase ist gute Vorbereitung besonders wichtig.
Als Sie 1989 Ihr Studium der BWL und VWL in Münster begannen, hatten Sie bereits eine Berufsausbildung zum Bankkaufmann abgeschlossen. War es immer schon Ihr Plan, anschließend zu studieren?
Nein, ich wollte nach meinem Abitur Musik studieren, habe mich aber doch für eine Lehre entschieden und mich in der Bank sehr wohl gefühlt. Ich bin übernommen worden, habe meine Wehrpflicht absolviert und anschließend das erste Semester studiert, um es auszuprobieren. Mein Zwillingsbruder hat mir damals gesagt: ‚Du kannst doch nicht dein Leben in einer Bank verbringen. Geh zur Uni und studiere.‘ Heute bin ich froh darüber. Nachdem ich ein Semester lang erlebt hatte, was ein Studium alles bietet, habe ich mich entschieden, diesen Weg zu gehen. Den Kontakt zur Bank habe ich aber weiterhin gehalten.
Konnten Sie die Liebe zur Musik trotzdem während des Studiums pflegen?
Ja. In Münster habe ich am liebsten im Collegium Musicum gespielt. Als ich ankam, habe ich nachgeschaut, wo ich vielleicht mitspielen kann. Das gemeinsame Musizieren war eine tolle Veranstaltung und ein wertvoller Ausgleich.
Schaffen Sie es heute noch, diesen Ausgleich zu finden?
Leider komme ich heute nicht mehr dazu, genug zu üben. Aber ich habe das Ziel, mehr Zeit für die Musik zu investieren, wenn ich wieder weniger arbeite. Aktuell sind meine Familie, die Musik und der Sport mein Ausgleich. Ich habe vor einigen Jahren Triathlon für mich entdeckt. Diesen Sport betreibe ich intensiv. Mit meinen Söhnen habe ich zuletzt in Tanger und auf Mallorca 70.3-Triathlons absolviert. Das hält jung.
Welche Kenntnisse aus dem Studium haben Ihnen in Ihrer Karriere besonders geholfen?
Wenn man aus der Praxis kommt, dann ist das Studium hilfreich, um die Zusammenhänge besser verstehen und das, was tagtäglich ansteht, einordnen zu können. Im Studium lernt man, systematisch an Dinge heranzugehen. Das hilft mir heute noch, zum Beispiel bei größeren Veränderungen. Als CEO eines großen Unternehmens würde ich mich als Architekt für Unternehmensstrukturen bezeichnen. Die Grundlagen für das Verständnis von Transaktionen stammen aus meiner Studienzeit. Bei diesen Herausforderungen muss man kreativ denken und Zusammenhänge herstellen können. Einige Bücher aus der Studienzeit stehen noch immer im Regal. Diese Lebensphase hat mich bereichert. Trotzdem war es nur eine Etappe. Rückblickend sieht man manches anders. Heute sage ich: Das Beste, was mir in meinem Studium passiert ist, ist, dass ich meine Frau kennengelernt habe.
Gerade wurde Ihr Vertrag als Vorstandvorsitzender für fünf weitere Jahre verlängert. Glauben Sie, dass Sie bei Schaeffler Ihre Bestimmung gefunden haben?
Ich weiß nicht, ob man jemals wirklich seine Bestimmung findet. Aber ich habe eine Aufgabe, die mich ausfüllt. Ich kann gestalten und habe eine gute Mannschaft um mich herum aufgebaut, mit der ich gerne zusammenarbeite. Wenn Sie langfristig ein Unternehmen gestalten wollen, dann braucht es Kontinuität. Gleichzeitig muss man sehen, dass man nicht selbstgefällig wird, sondern sich immer wieder fordert und fragt, was man als nächstes anpackt. In einem großen Familienunternehmen wie der Schaeffler Gruppe, das sich in einem dynamischen Umfeld bewegt und sich stetig weiterentwickelt, kann ich mit dem, was ich mir seit dem Studium erarbeitet habe, einen Beitrag leisten und Dinge zum Besseren verändern. Ich bin dankbar, dass ich diese Aufgabe habe.
Was würden Sie heutigen Studierenden der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät mit auf den Weg geben?
Neugier für alles Neue und Respekt vor dem Basiswissen, beispielsweise den Buchungssätzen oder dem Erkennen von Zusammenhängen. Heutzutage studieren sehr viele Menschen, ein Studium ist aber keineswegs eine Garantie oder ein Freifahrtschein für eine Karriere. Wenn man die Grundlagen beherrscht, wenn man mindestens eine Fremdsprache spricht und sich parallel dazu soziale Fähigkeiten aneignet, dann schafft man sich ein gutes Fundament. Wir leben zudem in einer Welt, in der eine starke Wertebasis besonders gefragt und wichtig ist. Weltoffenheit, Toleranz und Respekt: Darauf kommt es an. Das Studium kann dazu beitragen, sich eine solche Basis zu erarbeiten.
Ich vermute, dass Sie dennoch immer dazulernen, oder?
Das stimmt. Das spüre ich vor allem bei der fortschreitenden Digitalisierung. Ich erinnere mich daran, wie wir staunend auf 386er-Computer geschaut haben. All das ist längst Geschichte, jetzt rückt die künstliche Intelligenz vor. Keine Frage: Digitale Kompetenz ist aus meiner Sicht essenziell, um im Beruf voranzukommen. Schließlich ist auch der Austausch zwischen Praxis und Wissenschaft von großer Bedeutung. Ich habe damals mit dem Verständnis studiert, dass die Universität eigentlich wenig mit der normalen Arbeitswelt zu tun hat und dass es an der Uni um die Wissenschaft geht. Beide Bereiche sind heute vielleicht stärker miteinander verwoben als ich damals gedacht habe. Es ist wichtig, dass sich beide Welten richtig verstehen.
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 2, 4. April 2024.