Begeistert vom alten Ägypten
Es ist nicht übertrieben, wenn man behauptet, dass Dr. Cäcilia Fluck einen im wahrsten Sinne des Wortes herausragenden Arbeitsplatz hat. Er liegt gewissermaßen mitten in der Spree, konkret an der nördlichen Spitze der Berliner Museumsinsel – sie arbeitet als Kuratorin des Museums für Byzantinische Kunst im Bode-Museum. Das nach dem Kunsthistoriker Wilhelm von Bode benannte Gebäude versammelt heute neben Kunstwerken und Alltagsgegenständen aus dem Byzantinischen Reich Skulpturen, Gemälde, Münzen und Medaillen vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert unter einem Dach. „Ich fand das Museum schon immer beeindruckend und kann mir kaum einen schöneren Arbeitsplatz vorstellen“, erzählt sie.
Eine Begeisterung für das längst Vergangene und insbesondere das alte Ägypten hatte Cäcilia Fluck schon in jungen Jahren. Als Jugendliche nahmen ihre Eltern sie mit zur Tutanchamun-Ausstellung in Köln. Fasziniert von den Ausstellungsstücken, die größtenteils aus dem Ägyptischen Museum in Kairo stammten, setzte sich der Wunsch, sich eines Tages ausführlich damit zu beschäftigen, in ihrem Kopf fest. „Dass ich studieren möchte, war frühzeitig klar. Für Kunstgeschichte hat mein Notendurchschnitt leider nicht gereicht, deshalb wurden es christliche Archäologie, Ägyptologie und Koptologie“, sagt die gebürtige Dülmenerin.
1982 startete sie ihr Studium an der Universität Münster und musste für das Ägyptologiestudium zunächst einen Hieroglyphen-Sprachkurs absolvieren. „Das Lernen von ausgestorbenen Sprachen war zeitintensiv, aber spannend“, erinnert sie sich. „Wir saßen in den Vorlesungen der christlichen Archäologie häufig mit bis zu hundert Personen, viele davon Gasthörer. Im Hauptfach Koptologie waren wir nur zu fünft, was eine intensive und individuelle Förderung ermöglichte.“
Ihre Freizeit verbrachte Cäcilia Fluck zwar teilweise in Museen in Münster und Umgebung, aber auch fernab von ihrem geschichtlichen Interesse hat sie ihr Studium in guter Erinnerung. „Wir haben zu Beginn des Studiums einen Archäologen-Stammtisch gegründet, der sich bis zum Ende gehalten hat. Das hat zusammengeschweißt“, schwärmt die Alumna. Die Stammtisch-Mitglieder trafen sich jeden Mittwoch in wechselnden Kneipen im Kuhviertel – praktisch für Cäcilia Fluck, die zu dieser Zeit in einer kleinen WG an der Kreuzstraße wohnte. An eine Feier erinnert sie sich sofort. Einmal im Jahr fand in der Bibliothek der Archäologen-Karneval statt. Die Studierenden tanzten mit den Professoren des Lehrstuhls bis in die Morgenstunden zu Musik, die unter anderem Cäcilia Flucks heutiger Mann auflegte. Den Kunsthistoriker lernte sie in den gemeinsamen Archäologie-Vorlesungen kennen. Heute haben sie zwei Söhne.
Kurz nach dem Mauerfall promovierte sie und hatte zum ersten Mal die Möglichkeit, die Museumsinsel in Berlin zu besuchen. Auch ihren heutigen Arbeitsplatz lernte sie auf dieser Exkursion kennen. „Mein Doktorvater, Professor Krause, hat im Ägyptischen Museum in Berlin gearbeitet, durch ihn hatte ich einen direkten Draht ins Berliner Museumsgeschehen“, erzählt die 60-Jährige.
Cäcilia Fluck blickt auf eine abwechslungsreiche Karriere zurück. Mithilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft bekam sie mit dem Projekt „Spätantike und koptische Textilien“ eine erste Stelle im Bode-Museum, es folgten freiberufliche Tätigkeiten in diversen Museen, eine Mitarbeit in EU-geförderten multinationalen Projekten und Werkverträge an der Universität Münster, bis sie schließlich vor 14 Jahren auf die Museumsinsel zurückkehrte.
Als Kuratorin der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst sind ihre heutigen Aufgaben vielseitig. Neben der Pflege der Dauerausstellung und der Erforschung der Sammlungsobjekte plant sie Sonderausstellungen, hält dazu den Kontakt zu Museen auf der ganzen Welt und sichtet potenzielle Ausstellungsstücke. „Ich versuche, mindestens einmal im Jahr beruflich in Ägypten zu sein“, berichtet sie. So nahm sie beispielsweise an den Grabungen eines italienischen Forschungsteams teil und katalogisierte Fundstücke, um sie im Anschluss wissenschaftlich bearbeiten zu können.
Cäcilia Fluck engagiert sich auch in der Provenienzforschung, also der Ermittlung der Herkunft von Sammlungsobjekten und der Rechtmäßigkeit des Erwerbs. „Die Forschung ist meine Leidenschaft“, betont sie. „Ich hoffe, dass ich in Zukunft häufiger dazu kommen werde. Mein Beruf bringt viel administrative Planung mit sich, wodurch leider wenig Zeit dafür bleibt.“
Eine weitere Leidenschaft ist die Musik. Bereits während ihres Studiums spielte sie in verschiedenen Musikformationen Bratsche. Heute singt sie in einem Chor in Oranienburg. „Ein Leben ohne Musik kann ich mir einfach nicht vorstellen“, sagt sie.
Cäcilia Fluck zieht es noch immer regelmäßig ins Münsterland. Wann immer sie die Zeit findet, macht sie Fahrradtouren, geht in den Rieselfeldern spazieren oder streift durch den Botanischen Garten. „Viele beliebte Orte in der Stadt habe ich erst nach meinem Studium entdeckt“, sagt sie. Doch eine Erinnerung an die frühere Zeit hält sie sich stets vor Augen. „Ich habe Freunde in Münster, die ich gern besuche. Von ihrem Balkon blicke ich direkt auf meine erste Wohnung.“
Autor: Tim Zemlicka
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 3, 8. Mai 2024.