Faszination China
Als Yamin Djouah die Räume seines ehemaligen Instituts zum Fototermin für die Unizeitung betritt, wird sofort klar, dass man sich an ihn erinnert. In der Bibliothek grüßen ihn strahlende Gesichter, viele Mitarbeitende kennen seinen Namen. So ungewöhnlich ist das nicht, bei einem kleinen Fach wie Sinologie (Chinastudien). Nur knapp über 20 Studierende beginnen jedes Wintersemester den Bachelorstudiengang, im Master sind es meist weniger als zehn.
Was bewegt junge Abiturientinnen und Abiturienten dazu, Sinologie zu studieren? Bei Yamin Djouah war es ein Interesse am asiatischen Kontinent und eine romantisierte Vorstellung der Kultur. „Ich war ein großer Fan von der Darstellung Asiens im Kino. Filme wie ‚Der letzte Kaiser‘, aber auch Kung-Fu-Filme aus Hongkong haben mich in der Jugend fasziniert, auch wenn ich die historischen Zusammenhänge damals noch nicht verstehen konnte“, meint er. Nicht nur die mediale Abbildung prägte ihn. „Ich habe regelmäßig Reiseberichte und Abrisse der chinesischen Geschichte gelesen.“ Deshalb war es immer sein Wunsch, in China zu leben. Ein Au-Pair-Jahr während seiner Schulzeit war allerdings nicht möglich.
Yamin Djouah absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann, verlor aber nie seine Leidenschaft aus den Augen. „In dieser Zeit habe ich viel Fachliteratur zum Thema China gelesen“, sagt der Alumnus.
An der Universität Münster werden im Bachelorstudium vor allem Kenntnisse zur Politik, Gesellschaft, Geschichte, Literatur, Philosophie und Religion Chinas vermittelt. Yamin Djouah ist insbesondere das Erlernen der chinesischen Sprache im Gedächtnis geblieben. Das Studium der chinesischen Schriftzeichen war keine einfache Aufgabe, erinnert er sich. „Ich kam ohne jegliches Vorwissen der chinesischen Sprache an die Universität und musste viel pauken.“ Bereits zu Studienzeiten herrschte die intime Atmosphäre, die auch heute noch zu spüren ist. „Durch die geringe Absolventenzahl war es oft möglich, sich spontan eine Stunde ins Büro seines Betreuers zu setzen und zu reden“, erzählt Yamin Djouah.
Heute arbeitet der 38-Jährige als Projektleiter beim Chinaforum Bayern, einem gemeinnützigen Verein, der seinen Mitgliedern durch regelmäßige chinarelevante Veranstaltungen eine Plattform für einen Austausch bietet sowie bei der Vermittlung von Experten und Geschäftskontakten unterstützt. Zu den Mitgliedern gehören beispielsweise die FC Bayern München AG oder das Telekommunikationsunternehmen Huawei. Das Interesse an China zieht sich aber auch abseits der Arbeit weiter durch Yamin Djouahs Leben. In seiner Heimatstadt Osnabrück war er Mitorganisator eines deutsch-chinesischen Stammtischs.
Als er am Tag des Fototermins durch die Gänge seines alten Instituts streift, sieht Yamin Djouah einen aktuellen Lehrplan. „Es hat sich nicht viel geändert“, bemerkt er. Modernes Chinesisch und mittelalterliche Geschichte Chinas am Montag, Geschäftschinesisch am Mittwoch, Blockseminare am Freitag – so hat er es auch in Erinnerung.
Yamin Djouah hat sowohl seinen Bachelor als auch seinen Master in Münster gemacht. Es war allerdings die Zeit am Ende seines Bachelorstudiums, die ihm half, sein Chinesisch zu festigen. Mithilfe eines Sprachstipendiums besuchte er ein halbes Jahr die Nankai-Universität in der Stadt Tianjin. „Behördengänge oder die Wohnungssuche vor Ort waren der Sprung ins kalte Wasser, der mich sicher gemacht hat“, meint der Alumnus. Während seines Masterstudiums besuchte er die Stadt ein zweites Mal für sechs Monate. Inzwischen spricht er fließend Chinesisch. Wenn man sich an die unterschiedlichen Zeichen gewöhnt habe, sei es eine Sprache wie jede andere.
Was würde er Interessenten raten, die Sinologie studieren möchten? „Ich halte es für sinnvoll, im Zweitfach ein wirtschaftliches Feld abzudecken.“ Ihm selbst habe seine vorangegangene Ausbildung diesbezüglich geholfen. „Natürlich hat jeder seine eigene Planung. Aber in meinem Berufsleben stelle ich fest, dass sowohl viele kleine und mittelständische Unternehmen als auch Konzerne Standorte in China aufgebaut haben. Darüber hinaus verfügen zum Beispiel auch viele Beratungsfirmen und Anwaltskanzleien über Büros in der Volksrepublik.“ In seinem aktuellen Beruf hat Yamin Djouah genau diese Kombination gefunden. Im vergangenen Jahr konnte er endlich dienstlich nach China reisen, nachdem es dort noch lange Einreisebeschränkungen aufgrund der Coronapandemie gab.
Nach dem Fotoshooting trifft er zwei Freunde, mit denen er in Tianjin zusammengewohnt hat. Bevor er zu diesem Treffen aufbricht, fällt ihm ein letzter Hinweis ein. „Ich hoffe, dass aktuelle Studierende wissen, wie viele Kurse sie nebenbei belegen können“, sagt der Projektleiter. Parallel zu seinem Sinologiestudium nahm Yamin Djouah beispielsweise Bewerbungstrainings des Career Service in Anspruch und ging seiner Leidenschaft für den asiatischen Kontinent anderweitig nach: Neben dem umfangreichen „Pauken“ der chinesischen Sprache belegte er am Sprachenzentrum einen Japanischkurs.
Autor: Tim Zemlicka
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 7, 5. November 2024.