Bedingungslose Liebe und großer Mut

ULB bewahrt den Nachlass von Bettina Schinas, geborene von Savigny

[Bettina]
Auf ihre neue Heimat gespannt war Bettina von Savigny, als Karl Wilhelm Wach sie 1834 porträtierte.
   
Ernst schaut sie, ihre tief liegenden Augen von keinem Lächeln erhellt. Schmuck und Schleier geben ihr etwas Fernöstliches. Als Referenz an ihre neue Heimat trägt sie ihren Schal nach Art der Griechinnen um den Kopf geschlungen. Als Karl Wilhelm Wach das Bild 1834 wenige Wochen vor ihrer Hochzeit malt, hat Bettina von Savigny gerade noch ein Jahr zu leben. Ein Jahr, in dem sie ihren Mann nach Griechenland begleitet und aus dem zahlreiche Briefe an ihre Familie überliefert sind. Heute sind sie Teil der Sammlung der Universitäts- und Landesbibliothek und geben Auskunft von dem Leben in einem Griechenland, das politisch und kulturell zerrissen war. Dr. Ruth Steffen, 26 Jahre lang Leiterin der Handschriftenabteilung der ULB, hat ihre Briefe und Tagebuchaufzeichnungen in einem opulenten Band herausgegeben.

Bettina von Savigny war die einzige Tochter des Rechtswissenschaftlers Friedrich Carl von Savigny, in dessen Bekannten- und Verwandtenkreis sich so bekannte Namen wie Clemens Brentano, Ludwig Tieck, Karl Friedrich Schinkel, Leopold von Ranke und die Brüder Humboldt finden, die regelmäßig in seinem Haus in Berlin verkehrten. Bettina wurde 1805 in einen Haushalt hineingeboren, in dem Bildung und Wissen auch für ein Mädchen selbstverständlich waren. Ihre Eltern förderten das intelligente und vielseitig interessierte Mädchen, die mit 15 Jahren Livius las und offensichtlich in Aussehen und Charakter vor allem nach dem Vater kam. Wie die seine war auch ihre Gesundheit nie stabil, sie kränkelte oft und litt unter Kopf- und Zahnweh.

Mit 19 Jahren lernte sie ihren späteren Mann Konstantinos Dimitrios Schinas in Berlin kennen, wo er die Vorlesungen ihres Vaters besuchte. Schinas stammte aus einer angesehenen griechischen Familie, der 1821 mit dem Beginn des griechischen Aufstandes vor den Türken hatte fliehen müssen. Im Hause Savignys wurde er fast wie ein Familienmitglied aufgenommen. Sehr bald verliebten sich beide ineinander. Doch es sollte bis 1833 dauern, bis Schinas endlich die Möglichkeit sah, in einem inzwischen befreiten Griechenland einer Frau eine Zukunft zu geben. Am 9. Oktober heirateten die beiden in Ancona, Bettina musste sich von ihrer geliebten Familie trennen, blieb aber in regem brieflichen Kontakt.

Die nun einsetzenden Briefe und Tagebuchaufzeichnungen geben einen ausgezeichneten Einblick in die griechischen Verhältnisse, so Herausgeberin Steffen. Bettina berichtet über Volkscharakter und Wesen der griechen, ihr Familienleben, ihre Lebensweise, ihre Häuslichkeit, Wirtschaft, Sitten und Gebräuche. Zu Anfang bezog das Paar ein Haus in Nauplia und wurde sofort zu einem geschätzten und hoch geachteten Paar der griechischen Gesellschaft. Anfang April 1835 zogen die beiden in die Nähe von Athen um, was für Bettina miserable hygienische Zustände, beengte Wohnverhältnisse und geringeren gesellschaftlichen Verkehr als in Nauplia bedeutete. Im Sommer litt Bettina sehr unter dem kalten, nassen Wetter. In der Stadt kam eine Epidemie auf. Als die Hitze endlich kam, fühlte sich Bettina wieder wohler. Noch in ihrem letzten Brief schreibt sie: "Mir geht es so, dass ich nur dankbar sein kann." Schinas aber erkrankte, Bettina pflegte ihn und steckte sich wohl an. Am 28. August starb sie, tief betrauert von ihrem Mann und ihrer Familie.

Ihr umfangreicher Nachlass gibt Einblick in ein Leben, das geprägt war von bedingungsloser Liebe und dem Mut, in einem fremden Land ein neues, unsicheres Leben zu beginnen. Ihre Briefe machen Privates öffentlich, ganz im Sinne Bettinas, die um ihre Wirkung wusste: "Ich kann mir wohl denken, wie meine Briefe für viele Menschen interessant sein können."

bn