(D2-12) Altorientalische und biblische Geschichtsmythen und ihre Rezeptionsgeschichte
Der Einfluss der altorientalischen Geschichtsmythen ist greifbar im Alten Testament, dessen Autoren durch die vielseitigen Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Staaten an den allgemein verbreiteten Kulturtraditionen des Alten Orients angebunden waren. Beispielhaft können dabei die alttestamentliche Kriegsideologie, u.a. das Banntheorem, sowie die Königsideologie erwähnt werden. Besonders interessant ist zu merken, wie die Traditionen in der Levante weiterentwickelt worden sind.
Deutlich ist, dass der Kulturtransfer auf vielen verschiedenen Ebenen geschah. Einerseits sind die judäische Staatsreligion und Königs- sowie Kriegsideologie eng mit u.a. den assyrischen und ägyptischen Traditionen verbunden. Auf der staatlichen Ebene können die Einflüsse zum einen durch den Vergleich der verschiedenen offiziellen altorientalischen Königsinschriften und des Alten Testaments ausgearbeitet werden. Zum anderen spielen auch die Ergebnisse der archäologischen Forschung in diesem Zusammenhang eine Rolle.
Andererseits darf die familiäre Ebene nicht vergessen werden. Durch die Kriege und Deportationen sind auch außerhalb der lokalen Eliten enge Kontakte mit anderen Völkern und Kulturen zustande gekommen. Der Einfluss der fremden Kulturen führte einerseits zu Vertrags- und Mischehenverboten, mit denen man die eigene Identität abzusichern versuchte. Innerhalb der dennoch geschlossenen Mischehen hat andererseits die wechselseitige Beeinflussung durch lokale Mythentraditionen natürlich stattgefunden.
Teilprojekt: Rezeptionen neuassyrischer Religionskonzepte in der Jerusalemer Tempeltheologie (Dissertationsprojekt von Reettakaisa Sofia Salo)
Das vom Staatsgott Aššur installierte Königtum bildete im Rahmen der religiösen Herrschaftslegitimation den Hauptpfeiler des neuassyrischen Staates. Dies konnte auch in der aggressiven Militärpolitik des neuassyrischen Großreiches, die als ein Chaoskampf verstanden wurde und bei der der König als ein Stellvertreter der Götter agierte, eingesetzt werden. Trotz der massiven ideologischen Propaganda kann kaum eine religiöse Unterdrückung wahrgenommen werden.
Das Projekt fragt danach, was dieses religiöse Herrschaftskonzept im bedrohten Kleinstaat Juda bewirkte, der ca. 740-640 v.Chr. unter der assyrischen Hegemonie stand. Die Arbeitshypothese lautet dabei, dass in Juda neuassyrische Religionskonzepte intensiv rezipiert und für den eigenen Herrschaftsdiskurs fruchtbar gemacht wurden. Dem Königtum kam nämlich auch in den kleinstaatlichen Gesellschaftsformen von Israel / Juda während der Staatszeit eine zentrale Rolle zu. Institutionell beruhte es auf den beiden Stützen des Palastes und des Tempels, und konzeptionell wurde dies in der Jerusalemer Tempeltheologie (bzw. Zionstheologie) legitimiert und reflektiert.
Die Quellen des Projektes sind zum Ersten die offiziellen Texte des neuassyrischen Reiches. Berücksichtigt werden dabei insbes. die in ihnen vorkommenden Motive der Herrschaft und die religiösen Vorstellungen. Zum Zweiten werden aus dem Alten Testament vor allem die vorexilischen und/oder zionstheologischen Psalmen untersucht. Auf beiden Seiten werden die Ergebnisse nach Möglichkeit mit den archäologischen Zeugnissen und den Texten der weiteren Umwelt verglichen. Als letzter Schritt wird ein Vergleich der beiden Textgruppen stattfinden, um mögliche Parallelen festzustellen.