„Manche ermutigt der Papst, anderen wird er auf die Nerven gehen“
Sozialethikerin Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins zur Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus
Die Umwelt-Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus setzt nach Einschätzung von Sozialethikerin Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ „starke Signale“ für die umwelt- und klimapolitischen Konferenzen dieses Jahres. Sie biete zugleich eine weitreichende theologisch-ethische Orientierung zur ökologischen Verantwortung an, schreibt die Wissenschaftlerin in einem Beitrag auf www.religion-und-politik.de.
Die Sprache, in der der Papst seine Überlegungen anbiete, sei „persönlich, engagiert und auf Dialog ausgerichtet“. Deutliche Kritik an offenkundigen Missständen und profilierte Orientierungen aus dem Reservoir der biblischen und christlichen Tradition verbinde Franziskus mit der Suche „nach Lösungen und mit Vorschlägen zum Gespräch“. Ausdrücklich weise er auf „die Grenzen kirchlich-lehramtlicher Zuständigkeit und Kompetenz“ hin.
Mit der ersten päpstlichen Enzyklika, die sich als Ganze dem Thema Ökologie widmet, lädt das Kirchenoberhaupt nach den Worten der Sozialethikerin alle Menschen zu einem Gespräch ein. „Die Einladung redet ins Gewissen und verschließt gewisse Schlupflöcher. Zugleich ermutigt sie, sich den unbequemen Konsequenzen zu stellen, die endlich aus dem Wissen um die Komplexität der Krise gezogen werden müssen. Vielen wird der Papst mit dieser Ermutigung aus der Seele sprechen, anderen wird er auf die Nerven gehen – beides innerhalb und außerhalb der Kirche. Der Botschaft wird niemand sich leicht entziehen können.“
Der Beitrag
Erstmals ist eine päpstliche Enzyklika als Ganze der Ökologiefrage gewidmet. Sie setzt starke Signale für die umwelt- und klimapolitischen Konferenzen dieses Jahres, und zugleich bietet sie eine grundsätzliche und weitreichende theologisch-ethische Orientierung zur ökologischen Verantwortung an.
Der programmatische Titel spielt auf den Sonnengesang des heiligen Franziskus an, der im Text zitiert wird: „Gelobt seist Du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde, die uns erhält und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter“ (1; vgl. auch 87). Während das Motiv der Menschheitsfamilie aus der Sozialverkündigung der Kirche vertraut ist, klingt hier die Idee einer universalen Schöpfungsfamilie (vgl. 89) an. Darauf baut der Papst seine Konzeption einer ganzheitlichen Ökologie auf. Nicht Naturromantik treibt ihn an, sondern der Glaube an Gott als Schöpfer und die Überzeugung, dass der Mensch trotz aller beobachtbaren Destruktion zum Umsteuern und zur Wahrnehmung seiner Verantwortung als Mitgeschöpf fähig ist: Er ist nicht Eigentümer, sondern Treuhänder von Gottes Schöpfung, dem allen gemeinsamen Lebenshaus. Der Zerstörung, in der die Welt immer mehr zu einer „unermesslichen Mülldeponie“ (21) gemacht wird, und der Selbstzerstörung, mit der die Menschheit sich ihre eigenen Lebensgrundlagen entzieht, muss Einhalt geboten werden. Es gilt das gemeinsame Haus zu erhalten und gerechte Teilhabe an Gütern für alle Menschen einschließlich der kommenden Generationen zu ermöglichen und zu sichern. Jedes Geschöpf hat darin seinen eigenen Wert, nicht nur einen Nutzen für den (beziehungsweise für bestimmte) Menschen. Sehr eindeutig entzieht Papst Franziskus einer Deutung den Boden, die aus den biblischen Aussagen über die Widmung der Schöpfung zum menschlichen Gebrauch (vgl. Gen 1,28) das Recht des Menschen ableitet, sich als „Herrscher“ aufspielen und zum Beispiel die willkürliche Aneignung von Land und Bodenschätzen legitimieren zu können. Er korrigiert damit explizit eine bestimmte christliche Lesart, die zur Rechtfertigung von Kolonialismus und wirtschaftlicher Ausbeutung genutzt werden konnten (vgl. 67).