Wie Abweichler die Konfessionalisierung stärkten
Historiker Prof. Dr. Ulrich Pfister zur Rolle von Glaubensflüchtlingen im Italien des 16. Jahrhunderts
Über protestantische Glaubensflüchtlinge des 16. Jahrhunderts hat Wirtschaftshistoriker Prof. Dr. Ulrich Pfister am Dienstag in der öffentlichen Ringvorlesung des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ und des neuen Centrums für Mittelalter- und Frühneuzeitforschung (CMF) gesprochen. Der Vortrag trug den Titel „Italienischer Späthumanismus und reformierte Konfessionalisierung. Die welschen Exulanten, 2. Hälfte 16. Jahrhundert“.
„Glaubensspaltung und Konfessionalisierung führten im 16. und 17. Jahrhundert in vielen Teilen Europas zu einem einheitlichen förmlichen Bekenntnis der gesamten Bevölkerung innerhalb eines Herrschaftsverbands“, so Prof. Pfister. Immer wieder sei es deshalb zu Verfolgungen um Gottes willen gekommen. „Die dadurch entstandenen verstreuten religiösen Minderheiten haben durch den Austausch von Ideen und Gütern über nationale Grenzen hinweg einen wichtigen Beitrag zu den Anfängen der Globalisierung geleistet“, sagte der Historiker.
Verfolgungen aus Sorge um die öffentliche Ordnung
Flüchtlingsgruppen, vor allem solche mit abweichendem Glauben, wirkten auch auf die Konfessionalisierung zurück, wie Prof. Pfister erläuterte. „Erst durch die Bekämpfung von Häresie bildete sich das orthodoxe Bekenntnis der Mehrheit“, so der Historiker. Im Mittelpunkt des Vortrags stand die evangelische Bewegung Italiens, die sich im 16. Jahrhundert über die Schweiz, Deutschland und England und bis nach Südpolen, Mähren und Siebenbürgen verstreute. „Die Auseinandersetzung mit konfessionell wenig gebundenen Auswanderern trug maßgeblich zur relativ frühen konfessionellen Schließung des Reformiertentums bei“, so Prof. Pfister. „Zweifelnde wurden nicht mehr als Adressaten der Seelsorge wahrgenommen, sondern als Gift, das die Gemeinschaft der Gläubigen bedrohte.“ Konkrete Verfolgungs- und Zwangsmaßnahmen seien allerdings weniger durch dogmatische Zwistigkeiten als durch die Sorge um öffentliche Ordnung und Frieden motiviert gewesen.
Die Ringvorlesung geht der Diskriminierung und Verfolgung Andersgläubiger anhand zahlreicher Beispiele quer durch die mittelalterliche und neuzeitliche Geschichte nach. Die Themen reichen von der christlichen Häresiebekämpfung im Frühmittelalter und den Konfessionskonflikten der Frühneuzeit über den Kirchenkampf in der DDR bis zur Buddhistenverfolgung im kommunistischen Kambodscha und zur Christenverfolgung im Nahen Osten. Zu Wort kommen Geschichts- und Religionswissenschaftler, Soziologen, Theologen, Buchwissenschaftler, Romanisten und Byzantinisten. Den nächsten Vortrag am Dienstag, 7. Mai, hält Buddhismuskundler Prof. Dr. Ian Harris, Carlisle (Großbritannien) über „Buddhism under Pol Pot: Monk Mortality and Ideological Absorption“. Die Vorträge sind dienstags von 18.15 bis 19.45 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22 zu hören. (bhe)