„Blutiger Schlächter“
Vortrag zur Protestantenverfolgung im frühneuzeitlichen England
Über den englischen Bischof Edmund Bonner (1500-1569) und die Verfolgung von Protestanten unter der katholischen Königin Maria I. (1516–1558) hat Buchwissenschaftlerin Prof. Dr. Gabriele Müller-Oberhäuser vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ in der Ringvorlesung „Verfolgung um Gottes willen“ gesprochen. Bischof Bonner sei wegen seiner Beteiligung an der Ketzerverfolgung in London bereits zu Lebzeiten als „blutiger Schlächter“ berüchtigt gewesen, so die Wissenschaftlerin. Anhand von Schriften aus dem 16. bis 19. Jahrhundert zeigte sie, wie sich das negative Bild darstellte und wie es bis in die Moderne fortwirkte.
Königin Maria I. wollte die Reformation in England nach dem Tod ihres protestantischen Halbbruders, Eduard VI. (1547-1553), weitgehend rückgängig machen und eine Versöhnung mit Rom erreichen, wie Prof. Müller-Oberhäuser erläuterte. Zu dieser Katholischen Restauration gehörte beispielsweise die Wiedereinführung der Messe, das Lateinische als Sprache der Liturgie, die Wiederherstellung der Altäre und die Einforderung des Zölibats. „Für englische Protestanten gab es nur noch drei Möglichkeiten: ins Exil zu gehen, sich anzupassen und die bisherigen Glaubensinhalte und -praktiken aufzugeben, oder ihren Glauben offen zu gestalten und so die Gefahren der Verfolgung auf sich zu nehmen.“
„Oft rücksichtslos und ohne Mitleid“
Die Buchwissenschaftlerin führte aus, welche große Rolle Bischof Bonner bei der Protestantenverfolgung in seiner Diözese spielte. „Etwa 90 der nachweislich 113 Personen, die in London verbrannt wurden, hat er selbst verurteilt“, so die Forscherin, „in den übrigen Fällen hat er das Urteil unterschrieben.“ Bei der Verfolgung sei der Bischof „oft rücksichtslos und ohne Mitleid“ vorgegangen. „Prägend für sein Verhalten könnte eine Gefängnisstrafe gewesen sein, die er als katholischer Bischof während der protestantischen Regierungszeit Eduards VI. verbüßen musste“, sagte Prof. Müller-Oberhäuser. Bonner sei in seinem Leben zugleich Verfolger und Verfolgter gewesen.
Nicht nur die grausamen Taten Bonners, auch die protestantische Geschichtsschreibung unter Marias Nachfolgerin, Königin Elisabeth I., trugen nach Einschätzung der Forscherin zum negativen Bild von Bischof Bonner bei. „Vor allem der zeitgenössische Historiker und Autor John Foxe stellte in seinem Werk zu den protestantischen Märtyrern, ‘Acts und Monuments‘, Bonner als grausamen, gefräßigen und dicken Kannibalen, als Blut trinkenden Sadisten, der sich an den Qualen seiner Opfer erfreute dar, und prägte dieses Bild für die Zukunft.“ Als Quellen dienten ihm neben Archivmaterial vor allem auch die schriftlich verbreiteten Verhörberichte und Briefe der Betroffenen sowie Berichte von Augenzeugen über Hinrichtungen. „Unabhängig davon, wie viel Propaganda das Buch von Foxe enthält – dass Menschen auf dem Scheiterhaufen öffentlich hingerichtet worden sind, steht außer Zweifel“, so Prof. Müller-Oberhäuser. Der Ruf Bonners sei daher angesichts der historischen Fakten verständlich. Bis ins 18. Jahrhundert fänden sich Schriften verschiedener Autoren, die das Bild des „Bloody Bonner“ weiter verbreiteten. Erst im 19. Jahrhundert wurde im Zuge einer Annäherung zwischen Teilen der anglikanischen Kirche und Rom vereinzelt versucht, Bonner als treuen Anhänger Roms, der seine Pflicht erfüllte, positiver zu sehen , wie die Wissenschaftlerin sagte.
Verfolgung um Gottes willen
Die Ringvorlesung des Exzellenzclusters und des neuen Centrums für Mittelalter- und Frühneuzeitforschung (CMF) geht der Diskriminierung und Verfolgung Andersgläubiger anhand zahlreicher Beispiele quer durch die mittelalterliche und neuzeitliche Geschichte nach. Die Themen reichen von der christlichen Häresiebekämpfung im Frühmittelalter und den Konfessionskonflikten der Frühneuzeit über den Kirchenkampf in der DDR bis zur Christenverfolgung im Nahen Osten. Zu Wort kommen Geschichts- und Religionswissenschaftler, Soziologen, Theologen, Buchwissenschaftler, Romanisten und Byzantinisten. Den nächsten Vortrag am Dienstag, 14. Mai, hält Historiker Prof. Dr. Johannes Heil, Heidelberg, über „Differenz, Kohabitation und Konflikt – Juden und Christen im Mittelalter“. Die Vorträge sind dienstags von 18.15 bis 19.45 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22 zu hören. (ska/vvm)