Göttlicher Schutz der Weltordnung
Prof. Dr. Angelika Malinar über die Einsetzungsrituale indischer Könige
Ein indischer König bekleidet laut Indologin Prof. Dr. Angelika Malinar kein Amt. „Das Amt bekleidet ihn“, so die Wissenschaftlerin von der Universität Zürich in der Ringvorlesung des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ am Dienstagabend. Denn anders als in Europa ist die Königswürde seit uralten Zeiten eher temporär. Die Insignien der Macht wie zum Beispiel die Krone werden nicht weitergereicht, sondern für jeden König jeweils neu angefertigt. Zudem wird das Ritual zur Inthronisierung jedes Jahr wiederholt.
Die Hinduismus-Expertin erklärte, dass der König – anders als im historischen Europa – in Indien nicht vergöttlicht wird, sondern eher als Repräsentant Gottes gelte. „Ähnlich wie ein Schreinbild“, sagte Malinar. „wobei interessant ist, dass die Einsetzungsrituale von Kultbildern und Königen sich durchaus ähneln.“ Während Kultbilder jedoch im Tempel bleiben, kann der König quasi als „bewegliche Ikone“ auch außerhalb seines Palastes für die Aufrechterhaltung der göttlichen Ordnung sorgen.
Handeln zum Wohle der Welt
Die Einsetzung indischer Könige folgt einem Ritual, in dessen Mittelpunkt die so genannte „Eingießung“ steht. Dabei wird der zukünftige König mit Wasser aus verschiedenen Quellen, Erde unterschiedlicher Herkunft und anderen symbolischen Flüssigkeiten und Stoffen, etwa Milch, Getreide und Parfüm, übergossen oder eingerieben. Die komplizierte Abfolge dient der „Erzeugung des Königs“, so die bezeichnende Übersetzung des altindischen Sanskrit-Wortes für das Ritual. Besonders die kostbareren Stoffe stärken ihn aber auch für künftige Aufgaben.
„Der König handelt zum Wohle der Welt“, erläuterte die Referentin die Überzeugung hinter dem Ritual. Der weltliche Würdenträger ist, auch das ergebe sich aus den unterschiedlichen Bedeutungen des Sanskrit-Wortes, gleichzeitig ein Lenker, aber letztlich auch selbst ein Bestandteil des Kosmos mit einer bestimmten Funktion. In der indischen Tradition wird die Amtseinsetzung des Königs als ein „Perfektionierungsritual“ angesehen, wodurch ein neuer Status und Aufgabenbereich verliehen wird. Die rituellen Handlungen erzeugen eine reale Veränderung, da sie auf einem sozialen Konsens beruhen, der im Ritual wirksam wird. Diese Wirksamkeit könne man mit Pierre Bourdieu als „soziale Magie“ bezeichnen.
Nächste Woche steht ein ethnologisches Thema auf dem Programm der Ringvorlesung „Rituale der Amtseinsetzung“ am Exzellenzcluster. Am Dienstag, dem 26. Januar, spricht Prof. Dr. Helene Basu über „Rituelle Amtserneuerungen: Muslimische Feste in Indien und Pakistan“. Der Vortrag ist öffentlich und beginnt um 18.15 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22. (bhe)