Religion und Sprache

Wissenschaftler des Exzellenzclusters auf einer Tagung der Universität Wien

News C19 Wien
Beispiel für eine historische Quelle: Revokationsschrift aus dem Jahr 1622.

Einen ganzen Tag widmen die Veranstalter einer Textsorten-Konferenz an der Universität Wien dem Zusammenhang von Religion und Sprache. Prof. Dr. Jürgen Macha und seine Mitarbeiterin Sarah Horstkamp vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ stellen dort ihre Forschungsarbeit vor.

Prof. Dr. Macha spricht in seinem Vortrag zu „Konfessionalisierung und Sprache“. Er skizziert die aktuelle Forschungssituation und greift die soziosemantische Relevanz der Sprache in der Frühen Neuzeit heraus. Beispiele aus seiner Forschung belegen konfessionell motivierte Divergenzen im damaligen Sprachgebrauch. Anschließend gibt der Germanist Jürgen Macha einen Überblick über laufende Forschungen unter der Fragestellung „Konfessionalisierung der Sprache in der Frühen Neuzeit?“ Seine Mitarbeiterin Sarah Horstkamp erläutert zwei dieser Projekte genauer: Ihr eigenes Dissertationsvorhaben, in dem es um so genannte Revokationsschriften geht, und das Promotionsprojekt von Anna-Maria Balbach, das sich mit Grab- und Glockeninschriften beschäftigt.

Sprache als Signal für den "wahren Glauben"

Beide Vorträge basieren auf dem Forschungsprojekt C 19 des Exzellenzclusters. Dessen Ziel ist es herauszufinden, ob sich Prozesse der Konfessionalisierung auf den schriftlichen Sprachgebrauch in der Frühen Neuzeit ausgewirkt haben. Die Sprachwissenschaftler gehen davon aus, dass geistliche und weltliche Autoritäten das Medium Sprache in das Machtspiel von Religion und Politik einbezogen, gerade in der Frühen Neuzeit und unter dem Aspekt von Reformation und katholischer Reform. Sie erforschen diese Einflüsse auf inhaltlicher und formaler Ebene. Dafür nehmen sie unterschiedliche Textsorten unter die Lupe, etwa historische Ratsprotokolle, Schulordnungen und Inschriften.

Sarah Horstkamps Teilprojekt beschäftigt sich mit Revokationsschriften, in denen sich geistliche, theologisch gebildete Konvertiten über ihren Konfessionswechsel geäußert haben. Sie analysiert, ob sich der konfessionelle Wandel in den Schriften auch sprachlich auswirkt. Darüber hinaus untersucht die Doktorandin, welche anderen konfessionellen „Eigenarten“ Konvertiten aufgreifen, um sich als Anhänger des „wahren Glaubens“ zu profilieren. Die Revokationsschriften sind gedruckt für den gesamten deutschen Raum des konfessionellen Zeitalters verfügbar. Das Korpus umfasst derzeit etwa 60 Quellen, die auch im Hinblick auf eine Quellenedition bearbeitet werden.

Inschriften auf Glocken und Gräbern

Ähnlich arbeitet Anna-Maria Balbach. Sie untersucht sprachhistorisch bisher kaum zur Kenntnis genommenes Material: deutsche Inschriften aus dem konfessionell durchmischten Gebiet von Bayerisch-Schwaben. Über 3000 Grab- und Glockeninschriften von 1500-1800 bilden ihr Textkorpus, da gerade diese Inschriften aufgrund ihrer Nähe zum religiösen Bereich Informationen über die sprachliche Umsetzung konfessioneller Vorgaben versprechen.

Die Tagung „Kontinuitäten und Neuerungen in Textsorten- und Textallianztraditionen  vom 13. bis zum 18. Jahrhundert“ findet vom 16. bis 19. September an der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien statt. Etwa 25 internationale Wissenschaftler, unter anderem aus Moskau, Warschau, Paris und Berlin sind als Gastredner dabei. (bhe)


Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät der Universität Wien