Warum eine Papstwahl ein bisschen wie Weihnachten ist
Kirchenhistoriker Prof. Dr. Hubert Wolf erklärt Rituale bei der Amtseinsetzung des Papstes
Pünktlich zur Weihnachtszeit hat der Münsteraner Kirchenhistoriker Prof. Dr. Hubert Wolf eine überraschende Beobachtung gemacht: Die Weihnachtsbotschaft des Lukasevangeliums wird nicht nur in der Christmette verlesen, sondern auch bei der Einsetzung eines neuen Papstes zitiert. „Ich verkünde euch eine große Freude: Wir haben einen Papst“, übersetzte der Wissenschaftler die lateinischen Worte, mit denen der erste Kardinaldiakon die Wahl eines neuen Papstes auf der Loggia des Petersdoms bekanntgibt. „Das erinnert daran, wie der Engel den Hirten die Geburt Jesu verkündet hat“, erklärte Wolf am Dienstag in der Ringvorlesung „Rituale der Amtseinsetzung“ des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU).
Der Kirchenhistoriker zeigte, dass jeder Papst mit den Ritualen der Amtseinsetzung seine eigene Botschaft vermittelt. So habe Benedikt XVI. in Anlehnung an spätantike und frühmittelalterliche Vorbilder eine eigene Form des päpstlichen Palliums entwickeln lassen, das sich deutlich von dem anderer geistlicher Würdenträger abhebe.
Eine „Inszenierung des Geheimen“
Zahlreiche Veränderungen brachte laut Wolf vor allem die Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil: „Alle weltlichen Rituale und Symbole sollten entfallen, weil sie dem geistlichen Amt des Stellvertreters Christi nicht entsprechen.“ So werde der Papst nicht mehr mit der Tiara gekrönt; Benedikt XVI. sei der erste Papst, in dessen Wappen die dreifache Krone nicht mehr auftauche. Die römische Bischofskirche, die Lateranbasilika, habe an Bedeutung verloren. „Der Papst ist Papst durch die Wahl und die symbolische Herstellung der Beziehung zu Petrus im Vatikan. Bischof von Rom zu sein ist eine unbedeutende Nebenbeschäftigung“, so Wolf.
In den Riten und Symbolen zwischen dem Tod eines Papstes und der Einsetzung seines Nachfolgers soll Wolf zufolge „Gottes verborgenes Handeln“ erfahrbar werden. Dem diene auch die „Inszenierung des Geheimen“ rund um das Konklave, die Zusammenkunft der wahlberechtigten Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle. Das Wahlverfahren mit all seinen Symbolen und Ritualen solle das Wirken des Heiligen Geistes gewährleisten. Dafür seien manchmal auch sehr ungewöhnliche Mittel diskutiert worden: Im Vorfeld einer Konklavereform im 17. Jahrhundert habe es den Vorschlag gegeben, die gesamte Wahl in Anwesenheit des verwesenden Papstkörpers durchzuführen, berichtete Wolf. „Der Anblick des verfallenden Papstes und der Leichengestank sollten den Kardinälen ihre irdische Vergänglichkeit bewusst machen und die Schrecken des angedrohten Gerichts unmittelbar präsent halten.“
In der ersten Januarwoche spricht Prof. Dr. Hans-Ulrich Thamer in der Ringvorlesung „Rituale der Amtseinsetzung“ zum Thema „Legitimation durch Inszenierung. Stufen der nationalsozialistischen Machtdurchsetzung und Selbstdarstellung“. Die Veranstaltung findet am Dienstag, dem 5. Januar, von 18 und 20 Uhr im Hörsaal F2 im Fürstenberghaus statt. (arn)