„Auch ein Kaiser konnte den Wandel nicht aufhalten.“
Erstes Mexikanisches Imperium laut Historikerin kein konservativer Rückschritt
Der Übergang Mexikos von einer spanischen Kolonie zur Republik muss nach Einschätzung der Münsteraner Historikerin Prof. Dr. Silke Hensel neu bewertet werden. Sie hält es nicht für gerechtfertigt, die Unabhängigkeit insgesamt aufgrund des einjährigen Kaiserreichs zwischen 1822 und 1823 als rückwärtsgewandt zu beurteilen. Vielmehr sei es nur ein Schritt auf dem Weg gewesen, über den die Mexikaner nach der Kolonialzeit eine neue politische Ordnung ausgehandelt hätten. „Auch ein Kaiser konnte den Wandel nach der Unabhängigkeitserklärung 1821 nicht aufhalten. Die Bestrebungen der Bevölkerung, eine Republik zu begründen, zeigten sich letztlich als zu stark für die konstitutionelle Monarchie des Ersten Mexikanischen Imperiums“, erklärte sie am Dienstag in der Ringvorlesung „Rituale der Amtseinsetzung“ des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU).
1810 erhob sich zwar ein Teil der Bevölkerung, und die Anführer dieser Sozialrevolte forderten die Unabhängigkeit Mexikos, allerdings erreichte das Land erst nach einem elf Jahre dauernden Bürgerkrieg die endgültige Unabhängigkeit. Zunächst regierte Agustín de Iturbide als Kaiser die junge Nation. Nach einem Militäraufstand musste er jedoch bereits 1823 wieder abdanken.
Die Professorin für außereuropäische Geschichte deutete in ihrem Vortrag „Einsetzungsriten zur Begründung einer neuen politischen Ordnung. Mexiko im Übergang vom Ancien Régime zur Unabhängigkeit“ darauf hin, dass auch im mexikanischen Kaiserreich die historisch neue, auf der Souveränität der Nation gründende Herrschaftslegitimation zur Geltung kam. Schon in der Krönungszeremonie Agustín de Iturbides fänden sich einerseits traditionelle, andererseits moderne Elemente. „Die Feierlichkeit fand zwar in einer Kathedrale statt, und Iturbide wurde zu dem Anlass von einem Geistlichen gesalbt, den eigentlichen Akt der Krönung übernahm aber der vom Volk gewählte Präsident des Kongresses“, erläuterte Hensel, die am Cluster im Projekt D 10 zur Rolle der katholischen Kirche in Chile und Argentinien während der Militärdiktaturen der 1970er und 1980er Jahre forscht. Darüber hinaus leitet sie das Teilprojekt C 7 „Die symbolische Konstituierung der Nation: Mexiko im Zeitalter der Revolutionen 1786-1848“ im Sonderforschungsbereich „Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme“.
Iturbide habe zudem einen Amtseid auf die noch in der Entstehung begriffene mexikanische Verfassung schwören müssen. „Dadurch wollte der Kongress klarstellen, dass der Kaiser nur Kaiser sein konnte, weil ihm die Nation diese Macht übertrug, und er dementsprechend eine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung besaß.“ Die Zeichen der Veränderung und die drängenden Fragen der Zeit etwa zur Souveränität des Staates oder der Rolle der katholischen Kirche innerhalb der Gesellschaft ließen sich somit deutlich anhand der Krönungszeremonie ablesen.
In der nächsten Woche spricht Prof. Dr. Hubert Wolf im Rahmen der Ringvorlesung „Rituale der Amtseinsetzung“ zum Thema „Habemus Papam. Wahl und Amtseinsetzung der Päpste in der Geschichte der Kirche“. Die Veranstaltung findet am Dienstag, den 15. Dezember 2009 zwischen 18 und 20 Uhr im Hörsaal F2 im Fürstenberghaus statt. (log)