Literatur als raumzeitliches Planspiel. Zur kulturellen Dimension des literarischen Chronotopos von 1900 bis zur Gegenwart (Arbeitstitel)
In der Gegenwart stellen vielfältige Beschleunigungsprozesse die raumzeitliche Lebensorganisation von Menschen radikal auf dem Prüfstand. Die Menschen sind aufgefordert, Zeit und Raum in ihre soziale Praxis, die sie selbst initiativ verwalten müssen, zu implementieren. Diese Aufbauarbeit macht im Wesentlichen die Literatur sichtbar, die mit ihrer Gestaltungsmöglichkeit von Raum und Zeit als Blaupause für den individuellen Leser geeignet ist. Damit gewinnt Literatur eine nicht zu unterschätzende Sinnstiftungsfunktion. In meinem Projekt wird anhand Bachtins Begriff des „Chronotopos“, nach dem Zeit und Raum als ein untrennbares Kontinuum betrachtet werden müssen, diese soziale Funktion der Literatur als raumzeitliches Modell genauer beobachtet. Dabei fokussiert die Dissertation auf drei konkrete chronotopische Beispiele: den Naturraum der Idylle, den Familienraum des Hauses sowie den Sozialraum der Kneipe. Sie fungieren als unterschiedliche Strategien zur Bewältigung der rasanten sozialen Veränderungen und können modellhafte Anregungen für die Analyse individueller Rekonstruierung von Raum und Zeit bieten.