Ethnizität und Krise in der Prager deutschen Literatur
Das Promotionsvorhaben zielt auf die feldtheoretische Erschließung der Prager deutschen Literatur. Dabei werden in der Forschung weithin vernachlässigte Autoren fokussiert (u.a. Ludwig Winder, Hermann Ungar, Paul Kornfeld, Oskar Baum) und ihre Texte auf den in ihnen realisierten kategorialen Trialog von Identität, Fremdheit und Sprache befragt. Herausgearbeitet werden sollen die ästhetischen Strategien der Texte, mit denen die soziale Wirklichkeit beziehungsweise die gesellschaftlichen Krisenzustände literarisch (re-)konstruiert und reflektiert werden.
In dem avisierten Textkorpus werden interkulturelle und/oder soziale Konflikte inszeniert. Vor allem in den letzten drei Dekaden der k. und k.-Monarchie standen die deutsche und die tschechische Nationalbewegung in einem schier unüberwindbaren Gegensatz und richteten beide zugleich ihre ausgrenzenden Energien im Zeichen der verschiedenen Krisenkonstellationen und -konjunkturen gegen die Juden. In kaum einer anderen historischen Periode trafen die Kategorie der Ethnizität und die Erosion gesellschaftlicher Makrostrukturen so unvermittelt aufeinander wie in dieser. Die Literatur der jüdischen Autoren aus dem Prager Zusammenhang entstand folglich auf einer Nahtstelle zwischen antisemitischen, zionistischen und nationalistischen Bewegungen im Kontext tiefgreifender sozialer Umwälzungen. Sie erprobte im Spannungsfeld der widersprüchlichen Ein- und Ausschließungen zugleich einen jüdischen Transnationalismus – neue Vergemeinschaftungsstrategien und Ansätze minoritärer Behauptung. Die Arbeit will die Text-Kontext-Relation diskutieren und in diesem Zusammenhang das in der Forschung häufig deklassierte gesellschaftliche Bedingungsgefüge der Prager deutschen Literatur in den Interpretationsrahmen reintegrieren. Ausgehend von dem Forschungsprofil des Promotionskollegs “Literaturtheorie als Theorie der Gesellschaft“ sollen hierfür soziologische und literaturwissenschaftliche Erkenntnispotentiale kontrastiv zusammengeführt werden. Als grundlegender Forschungsansatz wird hierfür die kultursoziologische Theorie des Literarischen Feldes von Pierre Bourdieu angestrengt. Es wird davon ausgehend der Frage nachgegangen, inwiefern aus den Texten der genannten Autoren spezifische soziale Wissensbestände geborgen werden können.
Fach: Deutsche Philologie
Betreuer/innen: Frau Prof. Dr. Martina Wagner-Egelhaaf