Tagungen der Abteilung Sprachdidaktik


"Wohin steuert die Schulgrammatik/der Sprachunterricht? -
Kontinuität und Wandel"

Symposium am Germanistischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, 24.-26. November 2011, veranstaltet von Prof. Dr. Klaus-Michael Köpcke und Prof. Dr. Arne Ziegler

Noch bis in die späten 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein gab es ihn noch, den muttersprachlichen Grammatikunterricht. Er war fester, nicht hintergehbarer Bestandteil des Curriculums im Unterrichtsfach „Deutsch“. Der Unterricht war systematisch und an der lateinischen Grammatik ausgerichtet, und er war inhaltsbezogen im Sinne von Weisgerber und Glinz. Seine linguistische Note erfuhr dieser Grammatikunterricht durch eine dependenzgrammatische Orientierung.
Nach 1970 brachen dann für den Grammatikunterricht turbulente Zeiten an. Schlag auf Schlag ging es mit den Neukonzeptionierungen des Grammatikunterrichts. Der Grammatikunterricht war in einer Identitätskrise und wurde wie kaum ein zweiter Unterrichtsgegenstand einem Legitimationsdruck ausgesetzt. Nach einem sehr kurzen Intermezzo der Generativen Grammatik bekam man es mit der kommunikativ-pragmatischen Wende zu tun. Stellvertretend für viele seien hier Nündel, Wunderlich, Schlotthaus und Heringer genannt. Es folgte der „andere“ oder situative Grammatik¬unterricht von Boettcher und Sitta und dann der funktionale und integrierte Grammatikunterricht.
In den Konzeptionen der 80er Jahre ist von Grammatikunterricht dann gar nicht mehr die Rede, stattdessen heißt es nun etwa bei Boueke oder Ingendahl Reflexion über Sprache und bei Neuland Sprachbewusstheit. Den text- und kontextorientierten Sprachunterricht favorisiert Ulrich. Eine Ausnahme bei all diesen um Neues ringenden Konzeptionen scheint uns die von Eisenberg und insbesondere Menzel vertretene handlungsorientierte Konzeption der Grammatikwerkstatt zu sein. Explizit sind in der Grammatikwerkstatt, die genau genommen weniger eine didaktische Konzeption als ein methodisches Vorgehen ist, wieder die Grammatik und das Grammatische Unterrichtsgegenstand.
In aktuellen didaktischen Konzeptionen droht die Grammatik ihren Status als eigenständiger Unterrichtsgegenstand zu verlieren. Ein Blick in die Lehrpläne unterstützt diese Befürchtung nur. Dort kann man nachlesen, dass der eigenständige Unterrichtsgegenstand „Grammatik“ nicht mehr vorgesehen ist, vielmehr wird der Grammatikunterricht nun quer zu den anderen Unterrichtsgegenständen (Lesen, Schreiben, Umgang mit Texten usw. usf.) gelegt.
Unterricht ist sprachbasiert und manch einer mag aus dieser Binsenweisheit ableiten wollen, dass man vor diesem Hintergrund auch keinen eigenständigen Sprachunterricht geschweige denn Grammatikunterricht benötigt. Mit seinen Bezügen zu anderen Fächern oder anderen Gegenständen des Deutschunterrichts ist das Fach „Deutsch“ fast schon naturwüchsig der Gefahr ausgesetzt, sein spezifisches (Fach-)profil (weiter) zu verlieren.
Die Suche nach der fachlichen Identität und Integrität des Grammatikunterrichts im Curriculum des Unterrichtsfaches Deutsch ist vor dem Hintergrund der Diskussionen um anzustrebende Standards und Kompetenzen in gewisser Weise neu befeuert worden. Bei dieser Diskussion geht es weniger um den Aufbau von Wissens¬beständen, als vielmehr um die Aneignung von und den Umgang mit Wissen. Schüler sollen exemplarisch Strukturen erkennen und parallel hierzu methodisches Handlungswissen erwerben, wobei Letzteres wiederum dazu befähigen soll, Strukturen überhaupt zu erkennen. Strukturen und Handlungswissen sollen also ineinander wirken. Nunmehr ist die Fachdidaktik gefordert, Unterrichtsgegenstände zu benennen, die die Kompetenzaneignung besonders fördern können. Das schließt selbstverständlich Gegenstände, Begriffe und Konzepte des Grammatikunterrichts ein.
Im Kern haben sich die Inhalte des Grammatikunterrichts kaum verändert: Wortarten, Satzglieder und Satzarten stehen nach wie vor im Mittelpunkt. Ob diese Gegenstände aber kompetenzfördernd sind und welche grammatischen/sprachlichen Gegenstände sonst Kompetenzförderung bewirken und warum sie das tun oder tun sollten, ist empirisch und konzeptionell für die meisten Bereiche der Grammatik eher unzureichend geklärt. Die Bildungsstandards unterstellen hier für die Schule und auch die Hochschule, also auch für die Deutschlehrerausbildung einen Konsens, der aus unserer Sicht noch gar nicht gefunden worden ist.
Sprachwissenschaftliche Einsichten müssen vor dem Hintergrund der Kompetenz-orientierung in Lehr- und Lernkonzepte eingebunden werden. Dabei gilt es zu überprüfen, ob sie Lernerfolge im Sinne eines Kompetenzzuwachses auf Seiten der Schüler überhaupt ermöglichen.
Aus unserer Sicht sollte die Diskussion um Kompetenzen als Chance aufgefasst werden, auch Traditionelles grundsätzlich zu überprüfen. Dazu zählt auch die Frage, ob überhaupt Grammatikunterricht und wenn „ja“, dann ihn als eigenständigen oder quergelegten Unterrichtsgegenstand auffassen. Eine Entscheidung hierüber beeinflusst in der Folge auch die Frage, mit welcher didaktischen Konzeption und mit welchen Termini und vor allem mit welchen Kompetenzzuwächsen Grammatikunterricht betrieben werden soll.

Auf dem Symposium sollen Beiträge zu nachfolgend genannten Themenbereichen gehalten werden:

  • Quo vadis Grammatikunterricht – Zukunftsperspektiven
  • Alte und neue Gegenstände des Grammatikunterrichts
  • Lesen/Schreiben/Orthographie
  • Deutsch als Zweitsprache
  • Historische Aspekte der Grammatik- und Sprachbetrachtung
  • Gesprächsforschung, Jugendsprache

Plakat der Tagung
Flyer zur Tagung