Dissertationsprojekt
Arbeitstitel: „Essayistische Form und Subjektivität zwischen ‚Öffentlichkeit‘ und ‚Privatheit‘ bei Montaigne und seinen englischen Lesern des 16. und 17. Jahrhunderts“
Das Dissertationsprojekt kann dem Schwerpunktbereich B des Graduiertenkollegs („Formverfahren“) zugeordnet werden; es hat die Essais Montaignes und ihre Rezeption im England des ausgehenden 16. und des 17. Jahrhunderts zum Thema. Michel de Montaignes (1533-1592) Essais (1580, 1588, 1595) stellen eine entscheidende Zäsur in der frühneuzeitlichen Geistesgeschichte dar. Sie eröffnen eine Tradition säkularer Selbstdarstellung des Subjekts, üben vermittelt durch Montaignes Rezeption des antiken Skeptizismus eine radikale Erkenntniskritik und begründen nicht zuletzt eine spezifische, essayistische Form des Schreibens. Die von Montaigne begründete Gattung des Essays lässt sich sowohl inhaltlich als auch auf formal-diskursiver Ebene durch die Kategorien ‚öffentlich‘ und ‚privat‘ perspektivieren. Die Form des Essays, so die These der Dissertation, bildet sich zu einem Zeitpunkt heraus, als die Semantik beider Kategorien sich verschiebt. Das schlechthin ‚Private‘ hat noch keine sprachliche Form, in der es in die Öffentlichkeit gelangen könnte. Öffentliches Sprechen und Schreiben unterliegt traditionell rhetorisch-stilistischen Vorschriften, die in der Form des Essays von Montaigne untergraben werden. Beide Phänomene, der mentalitätsgeschichtlich-semantische Wandel und die Ausbildung einer spezifischen Form literarischer Kommunikation, stehen bei Montaigne in einem Zusammenhang, der in der Dissertation erarbeitet und sodann anhand der englischen Rezeption der Essay-Gattung durch den Übersetzer John Florio sowie die Essayisten Sir Francis Bacon, Sir William Cornwallis und Sir Thomas Browne weiterverfolgt werden soll.