Die Veranstalterinnen zusammen mit dem Osnabrücker Bischof Dr. Franz-Josef Bode.
Erfolgreiche Tagung: Die Veranstalterinnen zusammen mit dem Osnabrücker Bischof Dr. Franz-Josef Bode.
© Elena Scholz / Universität Osnabrück

FRAUEN IN KIRCHLICHEN ÄMTERN – Ökumenische Perspektiven

Bericht über den Kongress in Osnabrück, 6.-9. Dezember 2017

Das Jahr 2017 wird in der Ökumenischen Bewegung von bleibender Bedeutung sein. Am Ende dieses Jahres, in dem sowohl die bestehenden Gemeinsamkeiten wie auch die noch immer trennenden Kontroversen vielfach bedacht worden sind, haben zwei römisch-katholische Theologinnen (Margit Eckholt, Osnabrück, und Dorothea Sattler, Münster) zusammen mit zwei evangelischen Theologinnen (Ulrike Link-Wieczorek und Andrea Strübind, beide Oldenburg) zu einem Kongress eingeladen, bei dem aus wissenschaftlicher Perspektive die Argumente geprüft wurden, die lange nach dem Beginn der Reformation der Kirchen im 16. Jahrhundert im 20. Jahrhundert zu einer Öffnung im Hinblick auf die Teilhabe auch von Frauen an allen kirchlichen Ämtern und Diensten geführt haben.

Der wissenschaftliche Kongress war von hoher ökumenischer Sensibilität im Hinblick auf die unterschiedlichen Wege der Kirchen mit der Frage der Frauenordination geprägt. Mehr als 120 Frauen und Männer haben zahlreiche Vorträge von Theologinnen und Theologen gehört, in denen die vielfältigen Aspekte bedacht wurden, die bei der Thematik zu beachten sind: bibeltheologische, traditionsgeschichtliche, kirchenpolitische, anthropologische, soziologische und praktisch-theologische. Es zeigte sich, dass all diese Facetten der Fragestellung über die Grenzen der Konfessionen hinweg miteinander verbinden: Im Blick auf viele Argumente haben die evangelischen Kirchen vor wenigen Jahrzehnten ähnliche Prozesse in der Disputation erlebt, wie sie heute in der römisch-katholischen Theologie wahrzunehmen sind. Es gibt in der Ökumene der Frauen eine tiefe Verbundenheit auch im Hinblick auf die Leidensgeschichten, die mit dem kategorischen Ausschluss von den ordinierten Ämtern gegeben sind. Es war bei diesem Kongress sehr spürbar, dass evangelische Frauen ihre eigene Geschichte in gelebter Solidarität mit römisch-katholischen und orthodoxen Frauen neu wahrgenommen haben, die bis heute die Möglichkeit der Teilhabe an verbindlichen Entscheidungen aufgrund einer amtlichen Berufung vergeblich anfragen.

Am Ende des Kongresses haben die Teilnehmenden den modifizierten Thesen zugestimmt, die von den Initiatorinnen vorgelegt worden sind. Die Thesen sind nicht als ein Tagungsbericht zu verstehen. Die Dokumentation der Vorträge wird in literarischer Form geschehen. Viele Aspekte – insbesondere jene zu den Gender-Theorien – finden in ihnen kaum Berücksichtigung. Es bedarf der Fortsetzung der gemeinsamen Bemühungen. Die am Ende der Thesen formulierte Selbstverpflichtung richtet den Blick auf die Zukunft. Der durch Wortgottesfeiern gestaltete liturgische Rahmen des Kongresses hat deutlich werden lassen, worum es den Initiatorinnen vor allem ging: um ein gemeinsames Ringen um die zukünftige Gestalt der Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi in Verantwortung von dazu berufenen Männern und Frauen. Besonders kostbar war, dass dieses Anliegen während dieses international besetzten ökumenischen Kongresses in multilateraler Perspektive aufgenommen wurde: Stimmen aus der evangelisch-freikirchlichen Tradition haben darauf aufmerksam gemacht, dass es insbesondere die Erfahrung des wirksamen Geistes Gottes ist, der zur Reform und Erneuerung des Christentums beständig aufruft und dabei die Frage nach dem Geschlecht derer, die das Evangelium verkündigen, als eine nachgeordnete Frage betrachten lässt.

Viele Teilnehmende am Kongress haben bedauert, dass viel zu wenig Zeit war, um die Inhalte der vielen Referate zu besprechen. Ja, so war es. Diese berechtigte Kritik lässt sich auch so deuten: Viele Männer und Frauen konnten sich kaum mäßigen, endlich zu diesem Thema zu sprechen und zu sagen, was sie im Innersten bewegt und längst hätte gesagt sein sollen. Wir brauchen dringend eine Fortsetzung der Gespräche. Viele evangelische Geschwister haben ihren Dank für den Kongress mit der Einsicht verbunden, nun erstmals recht zu begreifen, wie unterschiedlich die Vorstellungen von den Kirchenordnungen heute sind. Es bleibt somit dabei: Ohne eine Thematisierung der Frage der Ordination von Frauen wird es keinen Weg geben, die sichtbare Einheit der Kirchen zu erreichen.

[Dorothea Sattler]


Ökumenischer Kongress, 6.-9. Dezember 2017 in Osnabrück

FRAUEN IN KIRCHLICHEN ÄMTERN
Reformbewegungen in der Ökumene

OSNABRÜCKER THESEN

Vom 6. bis 9. Dezember 2017 fand in Osnabrück ein wissenschaftlicher Kongress in ökumenischer Kooperation von Institutionen für Theologie der Universitäten Osnabrück, Oldenburg und Münster sowie von römisch-katholischen und evangelischen Verbänden und Einrichtungen zum Thema „Frauen in kirchlichen Ämtern. Reformbewegungen in der Ökumene“ statt. Mit der Mehrheit der Stimmen von mehr als 120 teilnehmenden Persönlichkeiten aus der multilateralen Ökumene und dem In- und Ausland wurden nach Vorträgen, Gesprächen und intensiven Beratungen folgende Thesen verabschiedet:

1)
Das erklärte Ziel der ökumenischen Bewegung, die sichtbare Einheit der Kirchen, ist nicht zu erreichen ohne eine Verständigung über die Präsenz von Frauen in allen kirchlichen Ämtern.

2)
Frauen in kirchlichen Ämtern verändern das Fremd- und das Selbstbild jeder Glaubensgemeinschaft tiefgreifend.

3)
Nicht der Zugang von Frauen zu den kirchlichen Diensten und Ämtern ist begründungspflichtig, sondern deren Ausschluss.

4)
Die Diskussion darüber, ob Gott eine unveränderliche Anweisung gegeben habe, wie oder durch wen Gott durch das kirchliche Amt bezeugt werden soll, kann und muss offen bleiben.

5)
Die Unterscheidung von spezifischen Diensten innerhalb des einen (sakramentalen) Amtes (Episkopat, Presbyterat und Diakonat) hat sich geschichtlich entwickelt und kann in ökumenischer Perspektive weiterentwickelt werden. Alle Dienstformen sollen für Frauen geöffnet werden. Dabei ist darauf zu achten, dass keine geschlechtsspezifische Festlegung erfolgt.

6)
Die kritischen Anfragen an die kirchliche Lehrbildung im Hinblick auf den Ausschluss von Frauen von kirchlichen Diensten und Ämtern sind ein Erweis für die Bereitschaft von Frauen, ihre Berufung zum Dienst an der Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat wahrzunehmen.

7)
Der Geist Jesu Christi verpflichtet uns, uns mit den unterschiedlichen theologischen Überzeugungen in der Frage der kirchlichen Ämter stets mit Wertschätzung und versöhnungsbereit argumentativ im Miteinander zu befassen.


SELBSTVERPFLICHTUNG

(1)
Wir werden die Geschlechtergerechtigkeit bei der Übernahme und der Ausübung kirchlicher Ämter zum Prüfstein der Glaubwürdigkeit der Verkündigung des Evangeliums machen. Das ist unverzichtbar für die apostolische Sendung der Kirchen. Jenseits der Frage nach der Ordination von Frauen sind auch andere Formen einer zu wenig sensiblen Gestaltung der Geschlechtergerechtigkeit in den Kirchen wahrzunehmen und zu überwinden.

(2)
Wir werden die theologischen Gespräche über die Präsenz von Frauen in allen kirchlichen Ämtern mit der Zielsetzung einer Verständigung in den verbleibenden Kontroversen fortsetzen. Wir werden - je nach konfessioneller Situation – dem kritischen Gespräch mit den verantwortlichen kirchenleitenden Persönlichkeiten über alle Formen des ordinierten Amtes nicht ausweichen. In ökumenischer Gemeinschaft setzen wir uns für die Ordination von Frauen zu Diakoninnen, Presbyterinnen (Pastorinnen, Priesterinnen) und Bischöfinnen ein.

(3)
Wir werden weiterhin theologische Beiträge zu der erforderlichen Differenzierung zwischen der Öffnung des Diakonats und anderer Ämter für Frauen innerhalb des einen (sakramentalen) Ordo leisten. Das Diakonat als Amt für Männer und Frauen verstärkt die diakonale Grundausrichtung der Kirche.

(4)
Wir werden uns im Bereich unserer Verantwortung für eine zunehmende Beteiligung von Frauen in leitenden Funktionen und Ämtern einsetzen. Wir streben eine Kultur der Partnerschaft in allen Kirchen an.

Osnabrück, am 9. Dezember 2017


Prof. Dr. Margit Eckholt, Universität Osnabrück
Prof. Dr. Ulrike Link-Wieczorek, Universität Oldenburg
Prof. Dr. Dorothea Sattler, Universität Münster
Prof. Dr. Andrea Strübind, Universität Oldenburg