Tausendsassa mit Zukunft
Warum Löwenzahn-Pflanzen extrem selten krank werden
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Mareike Dirks
"Sie sind sehr pflegeleicht", beschreibt Mareike Dirks ihre Forschungsobjekte. Die Doktorandin am Institut für Biologie und Biotechnologie der Pflanzen (IBBP) untersucht Löwenzahn-Pflanzen. Besonders interessiert sie sich für eine herausragende Eigenschaft der Gewächse: Sie werden extrem selten krank.
Während andere Pflanzen häufig unter dem Befall von Pilzen, Bakterien oder saugenden Insekten leiden, scheint es dem "Gewöhnlichen Löwenzahn" meist blendend zu gehen. "Kranke Exemplare sind schwer zu finden", sagt Mareike Dirks, die in der Arbeitsgruppe von Prof. Bruno Moerschbacher promoviert. Infiziert man Löwenzahn absichtlich mit einem krankheitserregenden Pilz, bleibt die Infektion auf einen kleinen Bereich rund um die Einstichstelle beschränkt, während andere Pflanzen bei dieser Behandlung eingehen. "Anscheinend kann nur geschwächter Löwenzahn unter sehr schlechten Wachstumsbedingungen krank werden."
Der Gewöhnliche Löwenzahn, der in Nordeuropa verbreitet ist, hat eine besondere Eigenschaft: Er klont sich selbst. Während Samen anderer Pflanzen durch Bestäubung und Befruchtung eine Mischung des Erbguts der Elternpflanzen tragen, haben die Samen der Pusteblume die genetische Ausstattung der Mutterpflanze. Dadurch sind die Pflanzen einer "Löwenzahn-Familie" – also eine Mutter-Pflanze und ihre Töchter – genetisch identisch. Diese Eigenschaft teilt der Löwenzahn mit den meisten Nutzpflanzen zum Beispiel Weizen oder Mais. Für die Gesundheit eines Pflanzenbestandes ist Einheitlichkeit schlecht. Daher müssen gerade moderne Nutzpflanzen oft mit Pflanzenschutzmitteln gegen Krankheiten geschützt werden. Kann beispielsweise ein Pilz eine bestimmte Pflanze leicht befallen, hat er auch bei den gleichen Pflanzen in der Nachbarschaft leichtes Spiel und kann sich massenhaft ausbreiten. Umso erstaunlicher ist es daher, dass der Löwenzahn den Erregern ein Schnippchen schlägt.
Welches Geheimrezept hat diese Pflanze? "Der Löwenzahn besitzt eine erstaunlich hohe Zahl sogenannter Polyphenoloxidasen (PPOs)", erklärt Mareike Dirks. Diese Enzyme kommen bei sehr vielen Pflanzen vor. Beißt man zum Beispiel in einen Apfel, kann man ihre Anwesenheit sehen: PPO sorgen dafür, dass die Frucht an der verletzten Stelle braun wird. "Soweit bekannt, besitzt aber keine andere Pflanze so viele verschiedene PPO wie der Löwenzahn. Sie scheinen bei der Abwehr von Krankheitserregern eine besondere Rolle zu spielen."
Die Enzyme kommen in der gesamten Pflanze vor. Je nach Art des Stresses reagiert die Pflanze, indem sie in den verschiedenen Geweben mehr oder weniger von bestimmten PPO produziert. Die Erkenntnisse der Forscher sollen zu einer wirtschaftlich nachhaltigen Nutzung des Löwenzahns beitragen. "Löwenzahn ist ein echter Tausendsassa. Er schmeckt als Salat und ist ein gesunder Vitamin A- und C-Lieferant", sagt Mareike Dirks. Aus Inulin, einem Zucker der Wurzel, kann man einen Kaffee-Ersatz herstellen. Die Pflanze wird in der Homöopathie, Phytomedizin und Pharmakologie geschätzt. Sie könnte zudem in Zukunft als Gummilieferant Verwendung finden – ein Projekt, an dem das Team von Prof. Dirk Prüfer am IBBP intensiv arbeitet. Dann würde der Löwenzahn demnächst vielleicht großflächig angebaut.
Eine spannende Pflanze und perfekt fürs Blumenbeet
Damit die Wirtschaftlichkeit der Pflanze züchterisch verbessert werden kann und gleichzeitig die für die Krankheitsresistenz verantwortlichen PPOs erhalten bleiben, wollen die Forscher zunächst genau wissen, wie diese funktionieren. "Wir versuchen daher herauszufinden, welche unterschiedlichen Funktionen die einzelnen PPOs des Löwenzahns haben", sagt Mareike Dirks. "Löwenzahn ist nicht nur eine spannende Pflanze mit Zukunft", ergänzt sie. "Mit seinen gelben Blüten ist er auch noch sehr hübsch. Damit ist er die perfekte Pflanze für ein Blumenbeet im Garten."
Christina Heimken